
Yoga für Jugendliche – ein wertvolles Werkzeug in der Pubertät
Yoga für Jugendliche auf einen Blick
- Yoga stärkt Selbstwahrnehmung, Resilienz und emotionale Balance – durch Achtsamkeit, Atemübungen und Meditation lernen Jugendliche, mit Stress, Gefühlen und Selbstzweifeln gesund umzugehen.
- Körperbewusstsein und Selbstbewusstsein werden gefördert, indem Jugendliche ihren sich verändernden Körper positiv erleben und Selbstwirksamkeit erfahren.
- Jugendgerechter Yogaunterricht schafft sichere Räume jenseits von Leistungsdruck, stärkt Zugehörigkeit und begleitet die Identitätsfindung auf Augenhöhe.
Die Pubertät ist eine herausfordernde Zeit
Jugendliche sind keine Kinder mehr, und noch keine Erwachsenen. Ihr Körper und ihr Gehirn befinden sich in einem radikalen Umbau. Sie wollen eigene Wege gehen, die Welt erobern – und haben noch keine Ahnung wie. Dazu kommt oft noch Stress mit den Eltern, Druck in der Schule, die erste Verliebtheit und das Erwachen der Sexualität.
In dieser herausfordernden Zeit brauchen Jugendliche Verständnis und Unterstützung. Aber auch Räume, in denen sie nicht bewertet werden, und Werkzeuge, um sich in dieser Phase voller Wandel und Herausforderung zu regulieren. Yoga kann all das bieten und so in dieser Phase zum wertvollen Begleiter werden.
„Die Pubertät ist gekennzeichnet von vielen Herausforderungen: Veränderungen auf körperlicher und geistiger Ebene, Gefühlschaos, Sinn-Fragen und Abgrenzung. All das können wir mit Yoga und seinem Portfolio an Möglichkeiten wunderbar begleiten. Yoga ist ein großes Geschenk in dieser herausfordernden Zeit – und vor allem auch das weitere Leben. Ich hätte mir sehr für mein jugendliches Ich gewünscht, dass Yoga damals in meinem Leben gewesen wäre!”
Sandra Walkenhorst, Autorin von „Yoga für Jugendliche”
Warum ist Yoga für Jugendliche so wertvoll?
Yoga hat Jugendlichen viel zu bieten. Als ganzheitliche Praxis, die Körper, Geist und Seele miteinander verbindet, kann Yoga auf allen Ebenen ein hilfreicher Anker in der stürmischen Phase der Selbstfindung und Veränderung sein.
1. Förderung der Selbstwahrnehmung und Achtsamkeit
Während der Pubertät geraten viele Jugendliche in einen Strudel aus Gefühlen und Gedanken, den sie manchmal schwer kontrollieren können. Beim Yoga lernen Jugendliche Achtsamkeit – also die Fähigkeit, den Moment bewusst zu erleben, ohne sofort zu reagieren. Diese Praxis hilft Jugendlichen, ihre Gedanken und Gefühle bewusster wahrzunehmen und einen gesunden Umgang mit ihnen zu entwickeln.
2. Stressabbau & Selbstwirksamkeit
Die Pubertät ist oft mit einem enormen Druck verbunden, sei es durch schulische Anforderungen, die Erwartungen von Eltern oder durch die Herausforderungen in sozialen Beziehungen. Yoga fördert die Fähigkeit zur Entspannung und hilft, Stress abzubauen, indem es das Nervensystem beruhigt. Mit geeigneten Atemübungen und anderen Entspannungsübungen (s.u.) können Jugendliche lernen, auch in stressigen Momenten ruhig zu bleiben. Diese Erfahrung von Selbstwirksamkeit – also der Fähigkeit das eigene Befinden aktiv regulieren zu können – ist ein besonders wertvolles Geschenk für Jugendliche und ein entscheidender Faktor für ihre Resilienz.
3. Körperbewusstsein & Selbstbewusstsein
In der Pubertät verändert sich der Körper stark. Manche Jugendliche fühlen sich in ihrem „neuen” Körper unwohl und sind deshalb sehr verunsichert. Yoga hilft, den eigenen Körper besser kennenzulernen und neue – vielleicht überraschend positive und wohltuende – Erfahrungen mit ihm zu machen. Die positive Verbindung zum Körper und die neuen Erfahrungen können ein entscheidender Faktor für ein gesundes Selbstbewusstsein sein.
4. Unterstützung bei der emotionalen Entwicklung
In der Pubertät schwanken die Emotionen zwischen Freude, Wut, Traurigkeit und Verwirrung. Yoga bietet einen sicheren Raum, um diese Gefühle zu erfahren und zu lernen, mit ihnen umzugehen. Durch Techniken wie Atemübungen (s.u.) lernen Jugendliche, sich zu regulieren, was ein gesundes emotionales Gleichgewicht fördert.
5. Verbindung & Gemeinschaft
Yoga kann das soziale Leben von Teenagern bereichern. In einer Welt, in der viele Jugendliche sich von der Peer Group und Social Media unter Druck gesetzt oder isoliert fühlen, bietet Yoga die Möglichkeit, Teil einer annehmenden, wertschätzenden Gemeinschaft zu werden. Yoga-Kurse für Teenager können helfen jenseits von Leistungsdruck und Coolness mit Gleichaltrigen in Verbindung zu kommen. Die Yoga-Gruppe kann so das Gefühl der Zugehörigkeit stärken und die sozialen Fähigkeiten verbessern.
Die Werte, die beim Yoga vermittelt werden – etwa dass wir alle verbunden sind oder Gewaltfreiheit – fördern zudem Respekt und Toleranz gegenüber anderen, was in der heutigen von Trennung gezeichneten Gesellschaft von großer Bedeutung ist.
Interview mit Sandra Walkenhorst: „Nehmt die Jugendlichen ernst”
Sandra Walkenhorst ist Sozialpädagogin, Yogalehrerin, Mutter eines Sohnes und Autorin des Buches „Yoga für Jugendliche”. Ihre nächste Ausbildung „Yoga für Jugendliche” findet im September 2025 statt.
YogaEasy: Gibt es Asanas oder andere Yoga-Übungen, die besonders hilfreich für Jugendliche sind?
Sandra Walkenhorst: Welche Asanas, Atemübungen und Entspannungselemente zum einzelnen Jugendlichen passen, ist so individuell wie bei Erwachsenen. Aus meiner Erfahrung kann ich aber sagen, dass viele Jugendliche es sehr genießen zu entspannen. Ihr Alltag ist häufig von Stress und vielen Anforderungen von außen geprägt. Andere lieben es sich zu bewegen und mittels kraftvoller Asanas ihre Grenzen auszuloten. Doch auch diese Jugendliche sind oft sehr interessiert an Möglichkeiten zur Ruhe zu kommen und wollen Tools lernen, wie sie den Herausforderungen ihres Alltags, vor allem in der Schule, begegnen können.
Wenn ich es schaffe, den Jugendlichen Ideen mitzugeben, wie sie sich selbst regulieren und in herausfordernden Situationen bestehen können, habe ich das erreicht, was ich mir für alle Menschen wünsche: Dass wir in der Lage sind, in uns friedlich zu sein, um so Frieden in die Welt zu tragen!
Was unterscheidet Yoga für Jugendliche vom „klassischen“ Yoga?
Zum einen ist es beim Yoga mit Jugendlichen sehr wichtig, sie mit einzubeziehen. Jugendliche wollen ernst genommen werden, sie wollen mitwirken und machen sich häufig viele Gedanken. Zudem befinden sich Körper und Geist der Jugendlichen in einer massiven Umbauphase. Viele Jugendliche verstehen sich selbst nicht mehr. Aus meiner Sicht ist es deshalb enorm wichtig, dass Yogalehrende wissen, was in dieser Zeit passiert. Wenn wir ihnen erklären können, was mit ihnen los ist und dass das Teil eines normalen Entwicklungsprozesses ist, kann das sehr heilsam sein.
Was sind deine Empfehlungen für den Yoga-Unterricht mit Teenagern?
Das Wichtigste ist, auf Augenhöhe mit den Jugendlichen zu sein, mit ihnen ins Gespräch zu kommen und wirklich interessiert an ihren Bedürfnissen und ihrer Lebenswelt zu sein. Also nicht so zu tun, als wüsste ich als Erwachsene:r und Yogalehrer:in über alles Bescheid. Jugendliche haben viele tolle Ideen und können unsere Erwachsenen-Welt auf vielen Ebenen bereichern. Wenn wir in diesem Mindset unterrichten und unsere Yogastunden individuell an den Bedürfnissen der Jugendlichen ausrichten, können wir im besten Fall positiven Einfluss auf den weiteren Lebensweg der Jugendlichen nehmen und ihre Resilienz stärken.
Welche Yoga-Übungen tun Jugendlichen besonders gut?
1. Kraftvolle, zentrierende Asana-Praxis – und ein paar Herzöffner für die Haltung
Jugendliche lieben es sich zu spüren – sie sind voller Neugier auf das Leben, die Welt und wollen sich erfahren. Wenn wir sie in ihrem Lebensdrang bremsen, kann das dazu führen, dass sie ihn auf ungesunde oder gar gefährliche Weise ausleben (Stichworte wären hier Alkohol & Drogen, illegale Autofahrten etc.). Beim Yoga können wir ihnen helfen, die Intensität des Lebens zu spüren, ganz ohne negative Nebenwirkungen. Wir können sie einladen sich auszupowern mit kraftvollen Flows, sich auszuprobieren bei Handstand und Krähe, und Verbindung zu erfahren bei Partner-Übungen (Tipp: Selbst Paare bilden lassen und die Option geben, die Partner-Übung auszulassen!), etwa dem Frontbird aus dem Acroyoga.
Es gibt aber einige Asana-Gruppen, die sich besonders gut für Teenager-Yogaklassen eignen:
- Balancehaltungen wie der Baum (Vrksasana) fördern den inneren und äußeren Fokus der Jugendlichen. Dadurch helfen sie ihnen, bei sich anzukommen und schenken ein Gefühl von Stabilität.
- Krieger-Posen I-III und andere kraftvolle Standhaltungen wie das Dreieck (Trikonasana) lassen Teens ihre körperliche Kraft spüren und stärken eine aufrechte, offene Haltung, was wiederum das Selbstbewusstsein fördern kann.
- Herzöffner wie die Brücke (Setu Bandha Sarvangasana) unterstützen eine aufrechte Körperhaltung und sind so für Jugendliche, die viel ins Handy gucken, eine Wohltat. Zudem ermutigen sie eine offene und authentische innere Haltung.
Ansonsten können Jugendliche – wie Erwachsene – alle Yoga-Haltungen ausprobieren, wenn sie adäquat angeleitet werden und ihnen je nach individuellen Voraussetzungen Variationen angeboten werden.
2. Beruhigende und regulierende Atemübungen (Pranayama)
Mit geeigneten Atemübungen können wir Jugendlichen zeigen, dass sie sich selbst beruhigen und ihre Konzentration verbessern können.
Besonders hilfreich sind:
- Atem-Achtsamkeit: Wenn wir Jugendliche bei Meditationen oder beim Nachspüren nach Asanas einladen, ihren Atem wertfrei zu beobachten, fördert das die Bewusstwerdung ihrer Atem-Muster. So können sie auch im Alltag bewusster wahrnehmen, wie sie atmen. Allein dies sorgt für einen gesünderen, natürlicheren Atemfluss – der sich wiederum positiv auf ihr Befinden auswirkt.
- Bauchatmung: Die Bauchatmung fördert Entspannung und hilft, den Geist zu zentrieren. Für Jugendliche, die noch keine Erfahrung mit Atemübungen haben, ist die Bauchatmung eine wunderbare Einstiegsübung. Im Liegen, mit den Händen auf dem Bauch, schaffen es auch Jugendliche mit wenig Körpergefühl Kontakt zu ihrer Atmung zu finden.
- Nadi Shodhana (Wechselatmung): Diese klassische Atemübung wirkt ausgleichend und regulierend – Jugendliche, deren Nervensystem in der Untererregung gefangen ist, profitieren davon genauso wie solche, die gerade übererregt sind.
Achtung: Sehr aktivierende Atemübungen wie Kapalabhati oder psychovegetativ wirksame Atemübungen (psychotropes/holotropes Atmen etc.) sollten Jugendlichen eher nicht vermittelt werden, da sie besser für erfahrene Übende geeignet sind und die Gefahr mit sich bringen, für Grenzerfahrungen missbraucht zu werden.
In diesem Video übt Yogalehrerin Anna Rech mit dir die Wechselatmung Nadi Shodana:
3. Selbstwirksamkeit fördern mit Mantras, Mudras, Meditation
Neben Atemübungen gibt es natürlich noch eine Reihe anderer Übungen, die wir Jugendlichen beim Yoga vermitteln können, um sie in ihrem Alltag selbstständig zur Selbstregulierung zu nutzen. Es ist wichtig, den Schüler:innen zu erklären, wie die Übungen wirken und wozu sie gut sind, damit sie in schwierigen Alltagssituationen die passenden Übungen anwenden können.
- Schütteln: Diese Übung ist gut geeignet für den Anfang von Yogastunden. Die Jugendlichen stellen sich dafür mit mindestens hüftbreitem Stand hin und lassen ein Schütteln aus dem Körper heraus entstehen. Das Schütteln kann je nach individuellem Befinden ganz unterschiedlich sein: schnell oder langsam, sanft oder wild. Es baut nicht nur körperliche Verspannung und Stress ab, sondern hilft den Jugendlichen auch, ins Jetzt, in ihre Lebendigkeit zu kommen.
- Sa-Ta-Na-Ma aus dem Kundalini Yoga: In dieser Übung sitzen die Jugendlichen in einer aufrechten, bequemen Haltung, die linke Hand liegt entspannt auf den Beinen. Bei der rechten Hand berühren sich nun nacheinander Daumen und Zeigefinger, während die Jugendlichen nun (laut oder in Gedanken) SA sagen, dann Daumen und Mittelfinger – TA, Daumen und Ringfinger – NA, Daumen und kleiner Finger – MA. Diese Abfolge kann mehrere Minuten wiederholt werden. Diese Mudra-Übung symbolisiert den Fluss des Lebens (Sa = Geburt, Ta = Leben, Na = Tod, Ma = Wiedergeburt). Sie wirkt zentrierend und beruhigend und kann sehr gut etwa vor Prüfungen geübt werden.
- Mantras: Wir müssen aber nicht unbedingt Sanskrit-Mantras mit den Jugendlichen üben. Auch wenn einige Jugendliche sehr gerne klassische Mantras singen. Das eben beschriebene Mudra können wir genauso gut mit einem Mantra verbinden wie „Ich – bin – gut – genug.” Solange das Mantra mit den Jugendlichen resoniert, erfüllt es seinen Zweck. Wir können sie auch einladen, ihr eigenes Mantra zu finden. Das können sie immer dann üben (eventuell in Kombination mit Bauchatmung oder dem eben beschriebenen Mudra) wenn sie nervös oder unsicher sind.
- Meditation: Wahrscheinlich haben nicht alle Jugendlichen Lust, 20 Minuten stillzusitzen. Wir können sie aber an die Meditationspraxis heranführen, indem wir ihnen in kurzen Einheiten unterschiedliche Meditationstechniken vorstellen. Das kann ein kurzer achtsamer Check-in am Anfang der Stunde sein, bei dem wir sie einladen, sich bewusst zu spüren: Was ist heute in meinem Körper los? Über was denke ich gerade nach? Welche Gefühle sind da? Oder wir leiten eine Traumreise in Shavasana an. Vielleicht lassen wir sie für einige Minuten ihren Atem verfolgen, ihr Mantra rezitieren oder leiten eine kleine Visualisierung an. Durch diese Einblicke in die Welt der Mediation können die Jugendlichen selbst die Wirkung der einzelnen Techniken erfahren und diese dann bei Bedarf in ihrem Alltag anwenden.
Was bringen Jugendliche zum Yoga mit – und wie können wir im Yoga damit umgehen?
Jugendliche sind mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert, die sie in die Yoga-Praxis einbringen.
1. Körperliche Veränderungen
Während der Pubertät wächst und verändert sich der Körper schnell. große Verunsicherung bezüglich ihres Aussehens. Das kann zu einem geringen Selbstwertgefühl führen. Erste sexuelle Erfahrungen können überfordern. Gerade jetzt ist es wichtig, den Jugendlichen ihren Wert zu vermitteln und sie ermutigen, die eigenen Grenzen bewusst wahrzunehmen und nach außen zu kommunizieren.
Tipps:
- Jeder Körper ist ein guter Körper: Lehrende sollten gerade angesichts des Drucks auf den sozialen Medien besonderen Wert darauf legen, zu vermitteln, dass es beim Yoga nichts zu leisten gibt und Vergleiche nicht sinnvoll sind, da wir alle unterschiedliche Voraussetzungen mitbringen. Stattdessen sollte der Fokus darauf liegen, die Signale des Körpers ohne Bewertung wahrzunehmen: Was fühlt sich gut an? Was macht mir Freude? Was brauche ich heute, damit es mir gut geht?
- Die Yogaklasse als Safe(r) Space: Dabei ist es immens wichtig, dass die Yogaklasse wirklich ein Safe(r) Space ist. Jede und jeder soll deutlich spüren – hier werde ich angenommen, genau so wie ich bin, hier werden meine Grenzen respektiert, hier bin ich sicher und kann mich zeigen.
- Traumsensibler Yoga-Unterricht: Für Yogalehrende bedeutet das, dass beim Unterricht die grundsätzlichen Regeln der traumasensiblen Unterrichts beachtet werden sollten. Hands-On Adjustments bzw. Assists müssen vorher abgeklärt werden. Asanas, die Gefühle von Hilflosigkeit auslösen können und die Gefahr einer Re-Traumatisierung mit sich bringen, wie Happy Baby, eher vermieden werden. Ob die Jugendlichen (etwa bei der Meditation) ihre Augen schließen wollten, sollte ihnen freigestellt werden. Bei der Schlussentspannung Shavasana sollten sie selbst entscheiden dürfen, ob sie sitzen oder in welcher Position sie liegen wollen.
2. Kognitive und emotionale Veränderungen
Die Gehirnentwicklung von Jugendlichen ist noch nicht abgeschlossen. Der präfrontale Kortex – zuständig für die emotionale Selbstregulierung und Selbstkontrolle – ist erst in den Zwanzigern voll ausgereift. Zudem spielen das limbische System, das Belohnungssystem und das Dopaminsystem während der Pubertät verrückt. Auch die Menge an Sexualhormonen im Blut schwankt stark, was zu Stimmungsschwankungen führt. Zusammengefasst bedeutet das, dass Jugendliche ihre emotionalen Reaktionen weniger kontrollieren können und sie oft viel intensiver erleben als Erwachsene.
Tipp: Yoga wirkt nachgewiesenermaßen ausgleichend auf all diese Systeme. Es reguliert das autonome Nervensystem und auch die Hypophysen-Nebennieren-Achse. Dieser Effekt ist schon nach einer Stunde Yoga messbar, und stabilisiert sich bei einer regelmäßigen Yogapraxis (s. „Yoga für Jugendliche", S. 83-88). Zudem bietet Yoga den Jugendlichen einen sicheren Rahmen, ihre Gedanken und Emotionen zu fühlen. Wir können diesen Prozess unterstützen, indem wir achtsam und ruhig den Raum für ihre Gefühle halten und ihnen so zeigen, dass alle Gefühle ihren Platz im Leben haben und sie keine Angst vor ihnen haben müssen. Das hilft ihnen sich selbst mehr zu vertrauen und weniger reaktiv mit ihren Gefühlen umzugehen. Zudem ist es entlastend, wenn wir ihnen spiegeln, dass ihr „Gefühlschaos” eine altersgerechte Entwicklungsphase und damit ganz normal ist. Wenn wir ihnen dann noch trotz ihrer großen Emotionen mit Respekt, Wertschätzung und Vertrauen in ihre Fähigkeiten begegnen, stärken wir ihre Resilienz und Stabilität tiefgreifend und nachhaltig.
3. Bedürfnis nach Selbstständigkeit und Identitätsfindung
Jugendliche in der Pubertät sind auf der Suche nach Autonomie und Eigenständigkeit. Sie wollen ihren eigenen Weg finden und sich von den Erwartungen anderer lösen.
Tipp: Yoga kann Jugendlichen den Raum bieten, sich selbst zu erfahren, neue Seiten an sich zu entdecken, ohne bewertet oder beurteilt zu werden. Wir können ihnen helfen, Selbstvertrauen aufzubauen, indem wir ihre Meinung und ihre Wünsche ernst nehmen. Wenn wir durchlässig bleiben und uns inspirieren lassen, statt darauf zu beharren, dass wir wissen was „das Richtige” ist, können Lehrende und Eltern gemeinsam mit den Jugendlichen neue Formen finden – für die Yogaklasse und fürs gemeinsame Leben. Dafür müssen Yogalehrende nicht jeden TikTok-Trend kennen oder schätzen. Es reicht, wenn sie es schaffen, nicht mit vorgefertigten Meinungen auf alles zu reagieren, was sie selbst nicht kennen, und eine offene und neugierige Grundhaltung einzunehmen.
Achtung: Das gilt übrigens auch für Eltern, die der Meinung sind, dass Yoga für ihre jugendlichen Kinder gut wäre und sie zum Yoga drängen. Wie immer gilt auch hier: Aus Druck und Zwang entsteht nichts Gutes. Hier dürfen wir als Eltern Vertrauen üben und unsere Kinder ihren eigenen Weg gehen lassen. Wenn wir den Druck rausnehmen und stattdessen vorleben, wie gut Yoga tut, ist es wahrscheinlicher, dass irgendwann das Interesse an Yoga erwacht.
4. Gesellschaftlicher Druck und Leistungserwartungen
Die Erwartungen an Jugendliche sind hoch – sei es in der Schule, im Sport oder in sozialen Beziehungen. Jugendliche sind oft sehr empfänglich für diesen äußeren Druck, weil sie gerade ihren Platz in der Welt suchen und dazugehören wollen. So können die hohen Ansprüche zu großem Stress und Selbstzweifeln führen.
Tipp: Beim Yoga können wir für die Jugendlichen einen Raum kreieren, in dem sie sich von äußeren Erwartungen lösen und auf das eigene Wohlbefinden konzentrieren können. Wenn wir ihnen authentisch vermitteln, dass es nicht darum geht, Haltungen perfekt zu beherrschen, sondern den eigenen Körper zu spüren, ihn anzunehmen und das zu geben, was gut tut, können sie diese Haltung mit in ihren Alltag nehmen.
5. Digitale Belastung
Die ständige Verfügbarkeit von Informationen, Social Media und der Druck, immer „online" zu sein, können zu Überlastung, Stress und Angstzuständen führen. Viele Jugendliche haben Schwierigkeiten, sich von der digitalen Welt zu lösen und echte Pausen zu finden.
Tipp: Yoga hilft, diesen digitalen Lärm zu durchbrechen, indem es einen Ort der Ruhe und Entspannung bietet. Dafür muss der Yogaraum konsequent handyfrei gehalten werden. Hier sind klare sowie wertfrei formulierte und umgesetzte Regeln hilfreich.
Fazit
Yoga kann eine wertvolle Praxis für Jugendliche sein, um in der herausfordernden Zeit der Pubertät Balance, Selbstbewusstsein und innere Ruhe zu finden. Mit einer achtsamen, respektvollen Herangehensweise können Yogalehrende den Jugendlichen helfen, ihre körperlichen und emotionalen Veränderungen zu verstehen und gesund zu navigieren. Yoga fördert nicht nur die körperliche Gesundheit, sondern auch das emotionale Wohlbefinden und die mentale Stärke, die Jugendliche benötigen, um in der heutigen Welt zurechtzukommen.
Quellen:
- Sandra Walkenhorst (2024): „Yoga für Jugendliche. Stress verringern durch Achtsamkeit und Entspannung.”, Meyer & Meyer.
- Mona Bektesi & Sandra Walkenhorst (2023): „Achtsamkeit und Entspannung in der Schule. Praktische Übungen für den Unterricht.” Meyer & Meyer.



