Pilates: Die perfekte Ergänzung zu Yoga

Von Katharina Goßmann

Was ist Pilates genau?

Pilates ist eine Trainingsmethode, die den Fokus auf die Kräftigung der tiefen Muskulatur, insbesondere der Rumpfmuskulatur, legt. Dadurch kannst du mit Pilates schnell und effektiv Kraft und Stabilität in deinen Körper bringen und so auch deine Haltung verbessern. Die Pilates-Übungen werden bewusst und präzise im Einklang mit der besonderen Pilates-Atmung ausgeführt (dazu später mehr). Im Gegensatz zu Yoga kann es sowohl nur mit dem eigenen Körpergewicht als auch mit speziellen Geräten wie dem Reformer oder dem Cadillac ausgeführt werden.

Pilates wurde von Joseph Hubertus Pilates (1883-1967) entwickelt. Er war ein deutscher Turnlehrer und begeisterter Sportler, der seine Methode während des Ersten Weltkriegs entwickelte, um Verletzten zu helfen, ihre Kraft und Beweglichkeit wiederzuerlangen. Später brachte er seine Methode in die USA, wo sie insbesondere von Tänzern zur Rehabilitation und Kräftigung genutzt wurde. Heute ist Pilates weltweit bekannt und beliebt.


Pilates-Boost: Dein 7-Tage-Programm für Kraft & Balance


Die Wirkung von Pilates

Der Kern der Pilates-Methode ist das „Pilates Powerhouse”. Damit ist die zentrale Muskelgruppe des Körpers, die für Stabilität, Kraft und Kontrolle verantwortlich ist. Es umfasst die tief liegenden Muskeln des Kerns (Core), insbesondere:

  • Bauchmuskulatur – die geraden und die schrägen Bauchmuskeln, vor allem aber die querliegenden, tiefen
  • Rückenmuskulatur – insbesondere die tief liegenden stabilisierenden Muskeln rund um die Wirbelsäule
  • Beckenbodenmuskulatur
  • Diaphragma (Zwerchfell)

Joseph Pilates sah das Powerhouse als die Quelle aller Bewegungen an. Seine Methode dient vor allem dazu, das Powerhouse zu stärken. Tatsächlich hat eine starke Körpermitte sehr viele positive Effekte: 

  • Verbesserung der Körperhaltung: Durch die bewusste Körperausrichtung werden Fehlhaltungen korrigiert.
  • Innere Kraft und Aufrichtung: Die wahrnehmbar stärkere Mitte und die resultierende aufrechtere, kraftvollere Körperhaltung können auch dafür sorgen, dass du dich insgesamt klarer, stärker und kraftvoller fühlst (Stichwort: Manipura Chakra).
  • Schutz der Wirbelsäule: Durch die starke Bauch-, Rücken- und Beckenbodenmuskulatur ist die Wirbelsäule besser geschützt.
  • Verletzungsprophylaxe: Eine starke Körpermitte und eine verbesserte Körperwahrnehmung können Verletzungen vorbeugen, weil dadurch Bewegungsabläufe im gesamten Körper positiv beeinflusst werden. 

In diesem Video erklärt dir Pilates-Lehrerin Sara Lyn Chana, wie du das Powerhouse korrekt aktivierst:
 


Die sechs Übungsprinzipien des Pilates

Seine volle Wirkung entfaltet Pilates aber nur, wenn du es korrekt übst und folgende Prinzipien befolgst:

  1. Konzentration – Bewusste Steuerung jeder Bewegung
  2. Kontrolle – Präzise Ausführung ohne Schwung
  3. Zentrierung – Aktivierung der Körpermitte („Powerhouse")
  4. Atmung – Tiefe, bewusste Atmung zur Unterstützung der Bewegung
  5. Fluss – Geschmeidige, harmonische Bewegungen
  6. Präzision – Qualität vor Quantität

Welche klassischen Pilates-Übungen gibt es und wie werden sie ausgeführt?

Es gibt klassische Pilates-Übungen, die leicht in eine Yoga-Praxis integriert werden können. Vielleicht kennst du sie auch schon aus deinem Yoga-Unterricht – da Yoga außer der Planke und Navasana nicht wirklich viel für den Core zu bieten hat, bauen viele Yogalehrer:innen Pilates-Elemente in ihre Klassen ein.

The Hundred: Eine Kernübung zur Aktivierung der Bauchmuskulatur. Auf dem Rücken liegend, Beine in Tischposition oder gestreckt, Arme pumpend auf und ab bewegen und dabei bewusst atmen.

Pilatesübung für den Core

Roll-Up: Eine effektive Übung zur Mobilisierung der Wirbelsäule. Aus der Rückenlage langsam Wirbel für Wirbel nach oben rollen und sich in eine Vorbeuge begeben.

Single-Leg Stretch: Stärkt die tiefen Bauchmuskeln. In Rückenlage ein Bein heranziehen, das andere gestreckt halten und die Beine im Wechsel bewegen.

Plank (Unterarmstütz): Eine effektive Core-Übung, die du vielleicht aus dem Yoga kennst. Die Schultern über den Ellenbogen halten und den Körper in einer geraden Linie stabilisieren.

Pilatesübung Plank

Swan Dive: Eine Rückenstärkung, die an die Kobra im Yoga erinnert. In Bauchlage die Brust leicht anheben, Arme nach vorne strecken und dann in eine kontrollierte Schaukelbewegung gehen.

Leg Circles: Zur Kräftigung der Beine und Stabilisierung des Beckens. Ein Bein nach oben strecken und kreisende Bewegungen ausführen.

Pilates & Yoga: Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Obwohl Pilates und Yoga unterschiedliche Ursprünge haben, verbindet die Methoden auch einiges:

  • Achtsame Bewegungsausführung: Pilates und Yoga legen Wert auf präzise und bewusste Körperbewegung und fördern damit die Körperwahrnehmung.
  • Geistige Klarheit: Beide Methoden helfen aufgrund der fokussierten Verbindung von Bewegung und Atmung dabei Stress abzubauen und sich auf den Moment zu konzentrieren.

Es gibt allerdings auch etliche Unterschiede zwischen Yoga und Pilates:

Atmung

Im Yoga und im Pilates atmest du synchronisiert mit den Bewegungen ein. Während wir im Yoga aber bis auf wenige Ausnahmen immer mit geschlossenem Mund ein- und ausatmen, wird im Pilates die laterale Brustatmung genutzt: Du atmest durch die Nase ein und dehnst dabei dreidimensional den Brustkorb aus, den oberen Brustbereich, die Flanken und die Rückseite. Dann atmest du aktiv durch die sanft aufeinanderliegenden Lippen aus und aktivierst gleichzeitig noch mal das Powerhouse, indem du den Bauchnabel sanft zur Wirbelsäule ziehst und den Beckenboden anspannst.

Bewegungsabläufe & Übungen

Beim Pilates wird auf kontrollierte, präzise Bewegungen gesetzt, die meist wiederholt werden. Im Hatha Yoga dagegen werden die Yoga-Haltungen eher lang gehalten. In fließenden Yoga-Stilen wie Vinyasa Flow oder Jivamukti Yoga werden die einzelnen Asanas dagegen im Bewegungsfluss miteinander verbunden.

Apropos Asanas: Zwar war damals Yoga im Westen noch wenig bekannt, aber Joseph Pilates scheint doch stark vom Yoga inspiriert worden zu sein. Es gibt etliche Pilates-Übungen, die bis auf einen anderen Fokus o.ä. mit Yoga-Positionen fast identisch sind. Beispiele sind etwa Swan und Kobra (Bhujangasana), Plank und Phalakasana sowie Teaser und Boot (Navasana). Joseph Pilates hat die Übungen aus dem Yoga – kombiniert mit seinem Wissen aus dem Turnen, Boxen, Ballett und der Anatomie – funktional und mit Fokus auf die Körpermitte abgewandelt und so etwas ganz eigenes erschaffen. 

Meditativer Aspekt

Yoga enthält oft meditative Elemente und Achtsamkeitsübungen. Manche Stile, wie Kundalini Yoga, legen einen starken Fokus auf geistige Klarheit und spirituelle Entwicklung. Pilates ist dagegen nicht explizit meditativ, auch wenn es durch die Konzentration auf und die Verbindung von Bewegungen und Atmung eine Art „bewegte Meditation“ sein kann.

Ursprung

Yoga stammt aus Indien und ist eine jahrtausendealte Praxis, die zwar körperliche Übungen (Asanas) beinhaltet, zu der aber Meditation und Atemübungen (Pranayama) und Philosophie essenziell dazugehören. Pilates dagegen wurde wie erwähnt erst im 20. Jahrhundert von Joseph Pilates entwickelt, ursprünglich als Rehabilitationsmethode. Es fokussiert sich primär auf die Stärkung der Tiefenmuskulatur und eine bewusste Körperhaltung. 

Fokus & Zielsetzung

Yoga kräftigt die Muskulatur und macht beweglicher, reduziert aber auch Stress, hilft achtsamer zu werden und bietet die Möglichkeit spirituell zu wachsen. Beim Pilates liegt das Augenmerk stark auf der Körperkontrolle, der Rumpfstabilität und der Rehabilitation nach Verletzungen. 

Equipment

Zu guter Letzt unterscheiden sich Yoga und Pilates auch hinsichtlich des Equipments: Im Yoga wird auf einer Matte sowie nach Bedarf mit Hilfsmitteln wie Blöcken, Gurten oder Bolstern praktiziert. Beim Pilates gibt es neben Übungen auf der Matte auch umfangreiche Möglichkeiten an Geräten wie dem Reformer, Cadillac oder Wunda Chair zu üben, um noch gezielter bestimmte Muskeln zu aktivieren.


Interview mit Pilates-Lehrerin Sara Lyn Chana: „Im Powerhouse lodert das Feuer”

Sara Lyn Chana

YogaEasy.de: Warum ergänzen sich Yoga und Pilates deiner Meinung nach so gut?

Sara Lyn Chana: Pilates schafft ein solides Fundament, das Gelenke und Wirbelsäule unterstützt, um tiefer in die Yogahaltungen einzusteigen und vor allem um sicherer zu praktizieren. 

Wenn du für den Rest deines Lebens nur mehr Yoga ODER Pilates üben dürftest, für was würdest du dich entscheiden?

Yoga, da Pilates bereits seit langem in meine Asanapraxis integriert ist.

Was würde dir am meisten fehlen, wenn du kein Pilates mehr machen könntest?

Körperliche Ausrichtung.

Was sind deine liebsten Pilates-Übungen und warum magst du genau diese Übungen so?

Alles, was mit tiefer und seitlicher Bauchmuskulatur zu tun hat – konkret: das Powerhouse! Dort lodert das Feuer – laut Yoga – am stärksten und genau das spüre ich dank Pilates: meine innere und äußere Stärke und tief liegende Kraft.

Unterrichtest du Pilates in einem speziellen Stil? 

Ich liebe klassisches Pilates. Mein Unterricht folgt daher den typischen Prinzipien: Präzision, Körperkontrolle und Zentrierung. 

Machst du Pilates lieber an Geräten oder ohne Geräte? Reformer-Pilates ist gerade sehr angesagt – was hältst du davon?

Pilates wurde tatsächlich ursprünglich am Reformer geübt. Das Matten-Pilates hat sich erst später entwickelt, nachdem Joseph Hubert Pilates schon verstorben war. Ich liebe den Reformer und übe regelmäßig selbst in Studios. Matten Pilates ist natürlich viel unkomplizierter – erfordert aber durchaus ein subtileres Gespür für tief liegende Muskelgruppen - was eine wunderbare Vorbereitung für die Yogapraxis ist und allgemein die Körperwahrnehmung verbessert. Beides hat seine Berechtigung!

Wie oft sollte man Pilates üben, um schnell einen deutlichen Effekt zu spüren?

Definitiv regelmäßig. Lieber kürzere Einheiten dafür öfter. Eine halbe bis Stunde zwei bis drei Mal die Woche ist eine super Ergänzung zum Alltag und zur Yogapraxis oder diversen Sportarten. 

Danke für das Interview! 

Mehr über Sara Lyn erfährst du auf saralynyoga.com.


Pilates & Yoga – Freunde fürs Leben

Pilates ist eine hervorragende Ergänzung zu Yoga, da es die Kräftigung der Tiefenmuskulatur unterstützt und die Körperkontrolle fördert. Das kann auch besonders bei anspruchsvollen Asanas hilfreich sein. Wer seine Yoga-Praxis oder auch seine Leistung in anderen Sportarten auf ein neues Level heben möchte, kann von Pilates profitieren und damit eine stabilere, bewusstere Bewegungsausführung entwickeln. Egal, ob Anfänger oder Fortgeschrittener – die Kombination aus Yoga und Pilates bringt Balance, Kraft und Flexibilität in Einklang.

Katharina Goßmann
Katharina Goßmann

Katharina ist Mutter, Yogalehrerin und Psychologin. Bei YogaEasy ist sie das Herz der Redaktion und schreibt über Yoga, wahres Glück und Heilung. Ihre Artikel werden unter anderem im „Yoga Journal” und in der „Happy Way” veröffentlicht.

Anja10.07.2025
Sehr gut: informativ und interessant!
Heike29.05.2025
<p>Vielen Dank f&uuml;r diesen informativen fundierten Artikel</p>
Sabrina30.03.2025
<p>Dankesch&ouml;n f&uuml;r diesen Artikel rund um Pilates.</p>