
Muttertät: Transformation von der Frau zur Mutter
„Muttersein, das liegt in den Genen. Sobald das Baby da ist, weiß man als Frau, was zu tun ist.” Mehr oder weniger so habe ich über das Mutterwerden gedacht. Natürlich wollte ich eine gute Mutter sein: Entspannt, souverän, voller Liebe und alles im Griff habend. So konnte ich es bei anderen Frauen, im Fernsehen und in den sozialen Medien beobachten. Dieses gesellschaftlich anerkannte Bild der Mutter ist aber eben genau das: Ein Bild, eine Fassade. Wie es in den Frauen aussieht, wie verunsichert sie sind, unter wie viel Druck sie stehen, es „richtig” zu machen, ist nicht sichtbar. Auch wenn es durchaus anerkannt ist, sich gegenseitig zu versichern, wie anstrengend doch die erste Zeit mit Baby ist – die extreme körperliche und mentale Erschöpfung, die Frauen in der Zeit nach der Geburt erfahren, wird meist lieber überschminkt und in den eigenen vier Wänden ausgetragen als offen nach außen kommuniziert.
In diesem Artikel erfährst du, was sich in Körper, Gehirn und Leben einer Frau nach der Geburt verändert – und was du tun kannst, um dich in dieser Phase mit Hilfe von Yoga, Meditation, Achtsamkeit und Selbstfürsorge zu unterstützen.
Ist das normal? Geht es anderen Frauen auch so?
Viele Mütter werden in der ersten Zeit mit Baby überrascht von einer bis dahin unbekannten emotionalen Achterbahn: Neue Ängste, starke Wut, übermannende Liebe – nicht selten alles gleichzeitig. Sie erkennen sich nicht wieder – was sich in einer tiefgreifenden Identitätskrise äußern kann. Diese neuen Denkmuster und Gefühle kommen nicht von ungefähr: Es ist mittlerweile nachgewiesen, dass sich das Gehirn einer Mutter komplett neu strukturiert. Dies, vor allem in Kombination mit Schlafmangel und den körperlichen Nachwirkungen der Geburt, lässt so manche Mutter an sich zweifeln. Dabei ist es angesichts der drastisch veränderten Situation eigentlich (selbst)verständlich, dass es eine Weile braucht, sich auf die neue Rolle als Mutter einzulassen. Schließlich ist da nicht nur plötzlich ein hilfloses Lebewesen, das von einem abhängig ist, sondern das ganze Leben ändert sich.
Was ist die Muttertät?
Laut Svenja Krämer und Hanna Meyer, den Autorinnen des Buches „Muttertät”, zeigt sich diese Veränderung auf 5 Ebenen: Körperlich, psychologisch, zwischenmenschlich, beruflich und spirituell. „Muttertät“ (engl. „matresence“) beschreibt die Transformation einer Frau zur Mutter. In Anlehnung an „Pubertät“ (engl. adolescence) illustriert der Begriff, in was für einem Ausnahmezustand sich neue Mütter oft befinden. Sie erleben einen vielschichtigen Prozess, in dem sie ihr altes Ich loslassen und transformieren müssen. Die Autorinnen gehen davon aus, dass nahezu jede Frau wenigstens Aspekte der „Muttertät“ erlebt, wenn auch in unterschiedlicher Intensität. Genau aus diesem Grund ist es so wichtig, dass Frauen, Partner:innen, Familie, Freund:innen und die Gesellschaft insgesamt ein größeres Bewusstsein dafür entwickeln, was mit einer Frau nach der Geburt tatsächlich geschieht. Mehr Verständnis, Geduld und Unterstützung in dieser Lebensphase könnten sogar dazu beitragen, Fälle von postpartalen Depressionen zu vermeiden:
„Wenn Frauen den natürlichen Prozess der Muttertät verstehen würden, wenn sie wüssten, dass Ambivalenzen unter diesen Umständen normal wären und nichts, wofür man sich schämen müsste, würden sie sich weniger alleine fühlen, sie würden sich weniger stigmatisiert fühlen. Und ich denke, dieses Wissen würde sogar die Zahl postpartaler Depressionen reduzieren. Ich würde gerne eines Tages dazu forschen.”
Psychotherapeutin Alexandra Sacks
Muttertät: Die körperliche und psychische Geburt einer Mutter
Die Reise zur Mutterschaft und die damit verbundenen Veränderungen wurden bereits in den 70er Jahren von verschiedenen Fachleuten im amerikanischen Raum untersucht. Dana Raphael, eine amerikanische Anthropologin, prägte 1975 den Begriff „Matrescence”, um den bis zu zweijährigen Prozess des Mutterwerdens zu beschreiben. Dieser Begriff wurde später von der Psychologin Aurélie Athan aufgegriffen, die seit 2008 die vielschichtigen Veränderungen erforscht, die Frauen nach der Geburt durchlaufen. In jüngerer Zeit hat die Psychotherapeutin Alexandra Sacks mit ihrem TED-Talk „A new way to think about the transition to motherhood” aus dem Jahr 2018 das Thema in den Fokus der breiten Öffentlichkeit gerückt.
In Deutschland prägten vor einigen Jahren die Doulas und Schwestern Natalia Lamotte und Sarah Galan (Schwesterherzen Doulas) den Begriff „Muttertät”. Durch ihre Arbeit beobachteten sie den Prozess, wie Frauen in ihre Rolle als Mütter hineinwachsen, oft begleitet von einer Klaviatur neuer, ambivalenter Gefühle und Fragen. Oft erlebten sie, wie Mütter ihre Eignung zur Mutterschaft leise anzweifelten und sich in den ersten Monaten erhebliche Verunsicherung und Schamgefühle einschlichen. Wenn dann weder die Frauen selbst noch ihr Umfeld verstehen, was auf körperlicher und neurobiologischer Ebene mit ihnen geschieht, können sie ihre herausfordernden Erfahrungen nicht einordnen – was zu noch mehr Verunsicherung führt.
Wenn Überforderung zur Verunsicherung führt
In der Phase der Muttertät, die schätzungsweise bis zu zwei Jahre dauern kann, haben viele Frauen das Gefühl, sich selbst zu verlieren. Wenn sie auf diese tiefgreifenden Veränderungen nicht vorbereitet sind und glauben, dass mit dem Abschluss des Rückbildungskurses die größte Herausforderung bereits gemeistert wurde, kann dies für viele einen Schock darstellen. Oft führt das Gefühl der Überforderung mit der neuen Lebenssituation dazu, dass Frauen sich selbst in Frage stellen und denken, sie wären die einzigen, die nicht mit ihrer neuen Rolle zurecht kommen.
Tatsächlich kann niemand mit Sicherheit vorhersagen, wie er oder sie als Elternteil sein wird. Zu viele Variablen wie die Geburtserfahrung, die Persönlichkeit des Babys, die Umstände und körperlichen Veränderungen spielen eine Rolle. Der oft zitierte „Mutterinstinkt” ist, wie mittlerweile nachgewiesen wurde, eher eine langfristige Lernerfahrung als eine neurologische Tatsache. Svenja Krämer und Hanna Meyer berichten jedoch, dass nahezu jede Frau Herausforderungen und Verunsicherungen unterschiedlicher Intensität in dieser Zeit erlebt.
Rückbildung: Werde ich je wieder „Ich“ sein?
Die Muttertät verändert Frauen auf körperlicher und neurobiologischer Ebene. Schon in der Schwangerschaft vollbringt der weibliche Körper Wunder – er baut einen vollständigen Menschen. Die Geburt führt viele Frauen über ihre körperlichen und emotionalen Grenzen hinaus. Unabhängig davon, ob Schwangerschaft und Geburt reibungslos verliefen oder mit Komplikationen verbunden waren, benötigt der Körper Zeit, um die Schwangerschaft zu verarbeiten.
In der Zeit des Wochenbetts ist es für viele Frauen die größte Herausforderung, den Spagat zwischen Baby und Zeit für ihre eigene Heilung und Rückbildung zu finden. Nach der Geburt kann es ein Schock sein, wie sehr man plötzlich auf die Hilfe von anderen angewiesen ist. Ohne die Unterstützung der Bauchmuskulatur und mit einem schwachen Beckenboden können Aufstehen und das Tragen des Babys schwierig sein. Zugleich erleben viele Mütter extremen Schlafmangel, so dass die einfachsten Alltagsaufgaben unfassbar herausfordernd sind. Auch fühlen sich Frauen häufig von sich selbst oder ihrem Umfeld unter Druck gesetzt, ganz schnell wieder die Form und das Gewicht ihres Körpers vor der Schwangerschaft zu erreichen.
Zeitgleich durchlaufen sie einen erneuten Hormonumschwung, der sich auf ihre emotionale Verfassung auswirken kann. Das Hormon humane Choriongonadotropin (hCG), das während der Schwangerschaft in hohem Maße produziert wird, sinkt unmittelbar nach der Geburt stark ab. Gleichzeitig fallen auch die Progesteron- und Östrogenwerte, die während der Schwangerschaft für die Produktion der „Glückshormone” Dopamin und Serotonin verantwortlich sind. Ein weiterer Rückgang findet bei Oxytocin statt, einem Hormon, das die Mutter-Kind-Bindung unterstützt und dessen Abnahme nach der Geburt zu emotionalen Schwankungen führen kann, bekannt als „Babyblues”.
Entstehen Muttergefühle im Gehirn?
Es ist wissenschaftlich belegt, dass das Gehirn einer Mutter sich deutlich von dem einer Frau ohne Kinder unterscheidet. Mit der Geburt durchlaufen Mütter umfassende neurobiologische Veränderungen im Gehirn und im Zusammenspiel ihrer Hormone, die zu „mütterlichem“ Verhalten führen.
Die Vergesslichkeit einer Mutter, das sogenannte „Stilldemenz“ (engl. „Mommy Brain“) wird oft belächelt. Dabei ist sie nicht nur das Resultat von Schlafmangel und Hormonen, sondern ein Wunderwerk der Natur. Denn das Gehirn reorganisiert sich, so dass Mütter sich voll auf das Überleben ihres Babys fokussieren. Nebensächlichkeiten wie Namen, Wäschewaschen oder der Autoschlüssel können dabei manchmal untergehen.
Diese Neuroplastizität des Gehirns bedeutet, dass sich Synapsen, Nervenzellen und ganze Hirnareale verändern und neu organisieren, um sich auf die Fürsorge des Babys einzustellen. Die Gehirnregionen, die für Empathie und soziales Verhalten zuständig sind, erfahren eine Optimierung, wodurch die Sensibilität für das Neugeborene erhöht wird. MRT-Scans haben gezeigt, dass die graue Substanz, welche eine zentrale Rolle bei der Informationsverarbeitung im Gehirn spielt, um bis zu 7 Prozent reduziert werden kann. In diesen Scans konnte man daher das Gehirn einer Mutter von einer Nicht-Mutter klar unterscheiden.
Diese Veränderung sind jedoch nicht negativ oder bedeuten einen Verlust der Gehirnfunktion, sondern sie bereiten die Mutter auf die Herausforderungen der Elternschaft vor. Eine Studie zu diesem Thema, die 2016 im Nature Neuroscience Journal veröffentlicht wurde, fand heraus, dass die Neustrukturierungen im Gehirn bis zu zwei Jahre nach der Geburt anhalten können. Daher stammt die Annahme, dass die Phase der Muttertät bis zu zwei Jahre dauert.
Wer ist diese neue Version von mir?
Die neuen Gefühle, veränderten Verhaltensweisen und das damit einhergehende neue Erleben ihrer Selbst, können viele Mütter verunsichern. Es entsteht ein innerer Konflikt: Einerseits spüren sie den starken Drang, sich um ihr Baby zu kümmern, andererseits löst die Notwendigkeit der Selbstfürsorge oft Schuldgefühle aus.
Mütter können sich in ihrer neuen Rolle manchmal fremd vorkommen, da sie anders handeln, als sie es vor der Schwangerschaft getan hätten. Wie oft sagt man sich, wenn man als Nicht-Mutter andere Mütter beobachtet: „Das werde ich anders machen“. Doch in der Realität gestaltet sich die Situation oft anders als man sich das je hätte vorstellen können. Viele Mütter müssen sich irgendwann eingestehen, dass die „ständig coole, entspannte Mutter“ wohl doch ein Fantasieideal bleiben muss. Daher kann es hilfreich sein, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, was während dieser Zeit auf neurologischer Ebene im Gehirn passiert.
Ein weiterer faszinierender Aspekt der Mutterschaft ist der Zellaustausch zwischen Mutter und Kind während der Schwangerschaft, ein Phänomen, das als „Mikrochimärismus” bekannt ist. Es wurde festgestellt, dass die Zellen des Kindes noch Jahrzehnte nach der Geburt im Körper und Gehirn der Mutter nachweisbar bleiben. Dies könnte eine wissenschaftliche Erklärung dafür liefern, warum viele Mütter ihre Kinder auf einer tiefgreifenden, subtilen Ebene als Teil von sich selbst wahrnehmen und eine lebenslange Verbindung zu ihnen verspüren.
Wie Spiritualität, Yoga & Meditation in der Muttertät helfen
Yoga und Meditation unterstützen Mütter dabei, wieder Kontakt zu sich aufzunehmen und mit den Herausforderungen der Muttertät besser umzugehen. Oft scheint es in dieser intensiven Phase unmöglich Selbstfürsorge zur Priorität zu machen. Aber nur wenn es der Mutter gut geht, kann es auch dem Baby und dem Rest der Familie gut gehen.
In Zeiten, in denen die Energie knapp ist, können ruhigere Yogastile wie Restorative oder Yin Yoga helfen, neue Kraft zu schöpfen und den Emotionen achtsam zu begegnen. Denn Yoga kreiert einen Zustand, in dem man einfach nur sein darf. Dieses Beobachten der Erschöpfung und ambivalenten Gefühle unterstützt die Emotionsregulation. Manchmal reichen vielleicht nur ein paar Dehnübungen und fünf Minuten bewusstes Atmen und Augenschließen, um einen Unterschied zu machen. Yoga lässt sich jeglichen Bedürfnissen und Möglichkeiten anpassen und auch Kraftaufbau und Beckenbodenübungen können gut in die Bewegungen integriert werden.
Oft haben Frauen nach der Geburt den Kontakt zu ihrem Körper verloren. Yoga kann dabei helfen, das Körperbewusstsein wiederherzustellen. Übungen wie z.B. der Baum helfen die Balance im Leben wieder zu finden und sich mit der Erde zu verbinden. Durch die achtsamen Bewegungen lernen Mütter auch wieder auf die Signale ihres Körpers zu hören und sich die benötigte Ruhe und Regeneration bewusst zu gönnen.
Viele neue Mütter leiden unter Schlafmangel, der es zusätzlich schwer macht, den neuen Herausforderungen zu begegnen. Meditation und Yoga Nidra beruhigen den Geist, so dass das Ein- und Weiterschlafen wieder besser gelingt. Frauen haben so mehr Energie im Alltag, was sich auch positiv auf die Stimmung auswirken kann.
Probiere es aus mit dieser sanften Postnatal-Yogapraxis „Innehalten – deinen Wert anerkennen” von Juliana Afram:
Mit Meditation und Spiritualität die neue Identität verstehen und annehmen
Die Frage „Wer bin ich?“ beschäftigt nicht nur Mütter. Unser Leben lang konstruieren wir ein Bild von uns. Wie wir sind, was wir mögen, was uns wichtig ist – unsere soziale Einbindung, unser Job, unsere Hobbies, aber auch unser Körper, unser Aussehen und vieles mehr. Im spirituellen Kontext wird dazu oft gesagt: „Wenn du dich wirklich selbst kennenlernen willst, musst du erst sterben“. Damit ist gemeint, dass das konstruierte Ego sterben muss. Denn all das, was wir glauben zu sein, ist eine fragile, konstruierte Vorstellung von uns selbst, nur oberflächliche Identifikationsfaktoren, an die wir uns klammern und auf deren Basis wir agieren.
Ein einschneidendes Ereignis wie die Mutterschaft verändert die bisherige Selbstwahrnehmung. Mit dem Mutterwerden fällt vieles weg, mit dem wir uns bisher identifiziert haben. Auf einmal sind wir abhängig, verantwortlich und limitiert. Wir arbeiten (erstmal) nicht mehr, haben weniger Sozialleben und plötzlich ganz neue Charakterzüge. Wo ist die alte Version von uns geblieben? Es kann ein schmerzhafter Prozess sein, das alte „Ich“ gehen zu lassen. Bei diesem Prozess kann Meditation eine immense Unterstützung sein. Sich selbst zu beobachten und zu erkennen, dass der Kern, der einen wirklich ausmacht, nicht verschwunden ist.
Mit Meditation verstehen Mütter ihr verändertes Selbstbild in seiner Tiefe. In der Stille dürfen alle Gedanken und Gefühle präsent sein, ohne Wertung und Widerstand. Für Mütter kann es eine immense Erleichterung sein, wenn sie lernen liebevoll anzunehmen was ist. Durch Meditation wird auch das Bewusstsein für neue Empfindungen geschärft. Das hilft, ein klareres Bild der neuen Identität zu entwickeln und zu begreifen, was sich durch die Mutterschaft verändert hat.
Mütter befinden sich auf ihrer persönlichen Heldinnenreise
Einige Mütter erleben in der Zeit der Schwangerschaft und Geburt einen ganz neuen Zugang zur Spiritualität. Wenn Frauen die Muttertät als Krise erleben, ist Spiritualität oft ein Zufluchtsort. Die transformierende Phase ist mit der Heldenreise vergleichbar: Nachdem die Heldin ihre kräftezehrenden Herausforderungen bewältigt hat, erreicht sie das Ziel der Reise gestärkt und mit einer neuen Identität.
In einer Studie von Athan und Miller in 2013 wurden die verschiedenen Aspekte erforscht, in denen Frauen ihre Mutterschaft als spirituelle Erfahrung erleben. Mütter lernen beispielsweise durch Kinder, was bedingungslose Liebe bedeutet. Sie verlieren ihre Selbstbezogenheit und erfahren eine ganz neue Dimension von Mitgefühl. Frischgebackene Mütter berichten oft von einer verstärkten Achtsamkeit und einem erhöhten Bewusstsein sowie einem ganz neuen Gefühl von Lebenssinn. Viele Frauen erleben die Geburt auch als ein großes Wunder, das an eine höhere Macht glauben lässt. Im Buch „Muttertät” wird es folgendermaßen beschrieben:
„Im Rahmen des Mutterwerdens kann das Kind als eine Art spirituelle:r Lehrer:in gesehen werden, welcher die spirituelle Transformation katalysiert. Die geschilderten Erfahrungen brechen mit einem Bild von Mutterschaft, in dem die Mutter alles aufgibt und ausschließlich entbehrt und folglich das Ende dieser zehrenden Episode herbeisehnt. Stattdessen machen Frauen die Erfahrung, dass sie Egoismus und Selbst-Zentriertheit ablegen und ihr Bewusstsein erweitert wurde.“
Mit Geduld, Akzeptanz und Verständnis durch die Muttertät
Auf Paarebene und unter Freund:innen können diese extremen Veränderungen der Mütter auf Unverständnis stoßen und das Potential für Konflikte erhöhen. In dieser Phase ist weniger Raum für Zweisamkeit und soziale Aktivitäten und Freund:innen und Partner:innen fühlen sich vielleicht vernachlässigt. Es ist für neue Mütter nicht hilfreich, ständig zu hören, wie ängstlich sie geworden sind oder dass sie sich entspannen sollten, sobald das Baby schläft. Der Stress und die psychische Belastung, die sie erleben, lassen sich nicht einfach durch eine kurze Pause, wenn das Baby schläft, ausgleichen. Allzu oft wird von ihrem Umfeld vorschnell eine postnatale Depression diagnostiziert, wenn sie nicht unmittelbar im vermeintlichen Mutterglück zu schwelgen scheinen.
Mutter zu werden ist wohl die größte unumkehrbare Transformation die man als Mensch erleben kann. Die Muttertät wird von neuen Müttern unterschiedlich erlebt und Mutterschaft fühlt sich für jede anders an. Manche Frauen gleiten leicht in die neue Rolle, bei anderen brauchen Körper und Geist etwas mehr Zeit, sich dem Neuen hinzugeben. Daher ist es umso wichtiger, dass Frauen wissen, dass sie diesem Prozess vertrauen dürfen. Alle Beteiligten sollten sich in Geduld und Verständnis üben und sich immer wieder bewusst machen, wie herausfordernd diese Veränderungen sind.
Fazit: Die einzige Konstante ist die Veränderung
Muttertät ist eine notwendige Phase, die wie vieles andere in der Elternschaft auch wieder vorbei geht. Irgendwann verändern sich die Fähigkeiten und Bedürfnisse des Kindes, Mütter schöpfen wieder Kraft und beginnen ihr neues Leben und ihren neuen Körper anzunehmen und wertzuschätzen. Mitgefühl mit sich selbst, Selbstfürsorge, Ruheinseln (und seien sie auch noch so klein) sowie Unterstützung und Annahme aus dem Umfeld sind überlebenswichtig in dieser Zeit und helfen Müttern dabei wieder zu sich zu finden.
Quellen:
- Muttertät. Wenn sich plötzlich alles anders anfühlt. Svenja Krämer und Hanna Meyer. Mvgverlag
- TED-Talk „A new way to think about the transition to motherhood” 2018
- Miller & Athan (2013): Motherhood as Opportunity to Learn Spiritual Values: Experiences and Insights of New Mothers. Journal of Prenatal and Perinatal Psychology and Health 27(4), Summer 2013
- Hoekzema, E., Barba-Müller, E., Pozzobon, C. et al. Pregnancy leads to long-lasting changes in human brain structure. Nat Neurosci 20, 287–296 (2017).



