
10 Fragen an Tanja Seehofer
1. Auf einer Skala zwischen 1 und 10: Wie glücklich bist du jetzt gerade?
Die Frage nach dem aktuellen Glückszustand auf einer Skala von eins bis zehn ist eine amüsante Betrachtung. Im Yin beispielsweise wird empfohlen, nicht über die 7 hinauszugehen, um die Balance zu wahren. Ich persönlich würde auf der Glücksskala zwar gerne immer auf der 10 stehen, doch ich halte das für unrealistisch, denn das Leben bringt Herausforderungen. Vielmehr ist es wichtig, die Realität anzunehmen, wie sie ist, und Gefühle bewusst zu erleben. Glück entsteht nicht nur durch „positive“ Emotionen, sondern auch durch die Annahme unserer Schattenseiten. Für mich gibt es beim Benennen der Gefühle kein Positiv oder Negativ. Letztlich geht es darum, bewusst und im Einklang mit uns selbst zu sein, unabhängig davon, wo wir uns auf dieser Skala befinden. Meine Stimmung hat sich zum Beispiel in den letzten Sekunden von fünf auf zehn verändert.
2. Wie war dein erster Kontakt mit Yoga?
Mein erster Kontakt fand mit 16 Jahren statt. Meine Mutter nahm mich damals mit in ihre Yogastunden, da sie dachte, es würde mir guttun. Als Teenager empfand ich es jedoch anfangs eher als unangenehm, da ich mich in meinem Körper noch nicht so sicher fühlte und bestimmte Übungen, zum Beispiel den Fisch, als beschämend empfand. Mit 20 Jahren, als ich nach München zog, veränderte sich meine Beziehung zum Yoga grundlegend und es half mir, eine tiefere Verbindung zu mir selbst aufzubauen.
3. Wie ehrgeizig bist du? Leidest du unter den Ansprüchen, die du dir selbst stellst?
Ich würde sagen, dass ich sehr ehrgeizig bin. Nach über 20 Jahren als Casterin habe ich mit großem Engagement und zahlreichen Ausbildungen meinen Weg zu meiner Berufung gefunden. Dabei ging es mir immer darum, mich selbst besser kennenzulernen und gleichzeitig auch erfolgreich zu sein. Ich habe viele Ansprüche an mich selbst, nicht nur beruflich, sondern auch als Mutter. Ich weiß, dass Perfektion illusorisch ist. Es ist essenziell, auf mich selbst zu achten. Diese Balance fordert mich immer wieder heraus.
4. Warum hast du dich entschieden, Yoga auch zu unterrichten? Was ist das Besondere an deinem Unterricht?
Meine Entscheidung, Yoga zu unterrichten, ist tief mit meiner eigenen Lebensgeschichte verwoben. Mit etwa 30 Jahren erlitt ich einen schweren Burn-out und eine tiefe Depression. In dieser Zeit entdeckte ich in einer Klinik das restorative Yoga und die Meditation, später dann Yin Yoga und Vipassana-Meditation. Diese Praktiken halfen mir, mich selbst wiederzufinden, meinen Körper neu zu entdecken und inneren Frieden zu finden. Diese transformative Erfahrung motivierte mich, mein Wissen und meine Heilung an andere weiterzugeben und sie auf ihrem eigenen Weg zu unterstützen.
Das Besondere an meinem Unterricht, höre ich immer wieder, liegt in der tiefen Verbundenheit mit dem eigenen Körper und dem bewussten Fühlen. Meine Teilnehmer:innen erleben nicht nur die Praxis, sondern auch eine achtsame Reise zu sich selbst. Durch meine einfühlsame Anleitung mit Coaching- und Vipassana-Elementen unterstütze ich sie dabei, ihre Körperwahrnehmung zu schärfen, ihre inneren Empfindungen bewusst anzunehmen, sie zuzulassen und mit dem somatischen Körper in Einklang zu kommen. Im Vordergrund stehen Selbsterkenntnis, Wachstum und innerer Frieden.
Wenn du neugierig geworden bist, probier es doch selbst aus mit dieser „Yin Yoga für Anfänger:innen”-Sequenz von Tanja:
5. Welchen irdischen Besitz schätzt du am meisten?
Als Minimalistin schätze ich vor allem die Klarheit und die Freiheit, die mit wenig Besitz einhergehen. Für mich bedeutet weniger Besitz auch mehr geistige Klarheit und inneren Frieden. Dennoch gibt es aktuell einen Gegenstand, den ich besonders wertschätze: Mein Auto. Da ich auf dem Land lebe, ist es für mich ein unverzichtbares Mittel, um meinen Alltag zu bewältigen. Dieses praktische Hilfsmittel ist für mich in meiner jetzigen Lebenssituation sehr wertvoll.
6. Was bedeutet „Atha Yoga-anushasanam“, das erste Sutra Patanjalis für dich?
Yoga beginnt für mich nicht nur in einem bestimmten Moment, sondern ist immer präsent. Für mich bedeutet Yoga, im Hier und Jetzt bewusst zu leben und meine Gedanken, Gefühle und meinen Alltag achtsam zu gestalten. In jedem Moment, in dem ich bewusst entscheide, im Hier und Jetzt zu sein, bin ich im Yoga. So wird Yoga zu einer ganzheitlichen Lebensweise, die weit über die reine Asana-Praxis hinausgeht.
7. Was hat Yoga mit Liebe zu tun (und warum sind Beziehungen manchmal so schwierig)?
Für mich ist Yoga untrennbar mit Selbstliebe verbunden. Da ich vor allem einen ruhigen Yogastil wie Yin unterrichte, liegt mein Ansatz darin, die Menschen zu mehr Selbstliebe zu führen. Diese wertvolle Zeit, die wir uns im Yin selbst schenken, dient dazu, uns zu fühlen, wahrzunehmen und anzunehmen – mit all unseren Sonnen- und Schattenseiten. Dabei geht es auch darum, die innere Wahrnehmung zu vertiefen, die Selbstwahrnehmung durch Interozeption und Propriozeption zu entwickeln. Letztlich ist Yoga für mich ein Weg zur Selbstliebe, denn nur wenn wir uns selbst lieben, können wir diese Liebe auch nach außen tragen und empfangen.
Ich denke, Beziehungen sind oft herausfordernd, weil jeder Mensch auf dieser Welt seine eigenen Erfahrungen, Prägungen, Muster und Glaubenssätze mitbringt, die meist in der Kindheit verwurzelt sind. Jeder trägt seine eigene Wahrheit in sich und lebt sozusagen in seiner eigenen Welt. Dadurch und weil viele Menschen ohne Bewusstheit durch ihr Leben gehen, kann es schwierig werden, in Beziehungen Kompromisse zu finden, da jede:r an seiner Meinung festhält. Es wäre wichtig, dem anderen seine Meinung zu gewähren, ohne sie selbst vertreten zu müssen. Oft sind es auch zu hohe Erwartungen und Bedingungen, die wir an den anderen stellen.
8. Wann bist du zuletzt vom Yogaweg abgekommen?
Ich würde nicht sagen, dass ich vom Yogaweg abgekommen bin. Vielmehr hat sich mein Yogaweg weiterentwickelt. Vor 30 Jahren, verstand ich Yoga vor allem als körperliche Praxis, mit Asanas und Beweglichkeit. Doch als ich mich dem Yin zugewandt habe, wurde mir bewusst, dass Yoga für mich viel mehr bedeutet. Es geht um den Weg nach innen, um das Bewusstwerden der Gefühle, Empfindungen und die geistige Klarheit. Die Praxis hat sich von einer rein körperlichen Übung hin zu einem ganzheitlichen Erleben gewandelt. Für mich ist Yoga heute ein integraler Bestandteil meines Lebens.
9. Welche Tugend würdest du am liebsten besitzen?
Eine Tugend, die ich besonders gerne besitzen würde, ist die Fähigkeit, in allen Situationen ruhig und gelassen zu bleiben. Ich würde gerne meine Meinung selbstbewusst und authentisch äußern, ohne dabei von Ungeduld oder von Emotionen aus der Bahn geworfen zu werden. Besonders in herausfordernden Momenten wünsche ich mir, innere Ruhe zu bewahren und mitfühlend zu handeln, selbst wenn äußerer Druck entsteht.
10. Was kann Yoga – und was kann Yoga nicht?
Mögliche Ziele vom Yoga können sein: Verbesserung der körperlichen Gesundheit, Steigerung der Konzentration, Förderung von Entspannung, gesunder Schlaf sowie die Regeneration des Nervensystems. Besonders im Yin werden die Bewegungsfreiheit und die feine Körperwahrnehmung gefördert, Faszienverklebungen werden gelöst, Meridiane aktiviert und gereinigt, während gleichzeitig die Körpersinne geschult und der Zugang zur inneren Stimme gefördert werden. Die genannten Möglichkeiten sind nur ein kleiner Ausschnitt der Vielfalt. Es gibt noch viele weitere positive Wirkungen, die individuell erlebt werden können.
Allerdings kann Yoga nicht deine Gefühle oder Gedanken einfach auslöschen. Letztendlich bleibt es deine eigene Selbstwirksamkeit, die dich in deinem Leben vorantreibt. Yoga kann dich dabei unterstützen, aber du bist derjenige, der die Veränderung bewirken muss.



