
Metta – die Herzensqualität der liebenden Güte
Metta ist eine innere Haltung von tiefer, anteilnehmender Liebe zu allem in uns und um uns. Angesichts der herausfordernden Zeiten können wir wahrscheinlich alle mehr von diesem zentralem Konzept aus der buddhistischen Lehre brauchen. Denn Metta kann wie ein inneres Gegengewicht wirken. Wenn wir uns regelmäßig in dieser Praxis üben, richten wir den Blick weg vom Urteilen, vom ständigen Vergleichen oder dem Gefühl, nicht genug zu sein und hin zu Verbindung, Mitgefühl und Menschlichkeit. Studien, unter anderem der Stanford University, zeigen sogar: Regelmäßige Metta-Meditation stärkt nachweislich unsere Fähigkeit zur sozialen Verbindung (Quelle).
Was ist Metta?
Das Grundprinzip ist einfach: Metta beschreibt den Zustand bedingungsloser, wohlwollender und allumfassender Liebe und Güte. Dabei geht es weniger um die romantische (und auch nicht um die platonische) Liebe zwischen zwei Menschen, sondern darum, grundsätzlich jedem Menschen, jedem Tier, jeder Pflanze mit Güte zu begegnen und ihm bedingungslos nur das Beste zu wünschen – egal, was dieses Wesen sagt, tut oder auch nicht tut. Diese Liebe ist frei von jeder Anhaftung und jedem Handeln aus dem Ego heraus.
Metta ist wie ein sanfter, warmer Regen. Er fällt nicht nur auf das, was wir mögen, und lässt das Schwierige aus. Er ist unparteiisch – und genau darin liegt seine Kraft. Metta meint „Mögest du wohl sein“, unabhängig davon, ob ich gerade Zustimmung empfinde, ob ich dich verstehe oder ob ich dein Verhalten gutheiße. Es ist keine naive Verklärung, sondern eine bewusste Entscheidung, dein Herz für alle zu öffnen statt zu verhärten.
„Metta ist die Fähigkeit, alle Aspekte unserer selbst, wie auch die der Welt zu umarmen. Metta zu praktizieren beleuchtet unsere innere Ganzheit, weil wir vom Zwang befreit werden, gewisse Aspekte unserer selbst zu verneinen. Wir können uns allem öffnen, mit der heilenden Kraft der liebevollen Güte. Wenn wir mit dieser Haltung präsent sind, ist unser Geist so offen und weit, dass er das ganze Leben in vollem Gewahrsein umfassen kann – seine Freude und sein Schmerz, ohne dass wir uns vom Schmerz verraten oder überwältigt fühlen.“
Sharon Salzberg, Autorin von „Lovingkindness: The Revolutionary Art of Happiness“
Eine von vier Herzensqualitäten aus der buddhistischen Lehre
In der buddhistischen Lehre gehört Metta zu den vier „unermesslichen“ Herzensqualitäten (Brahmaviharas / Apamañña), den „himmlischen Verweilzuständen“:
- Metta – liebende Güte
- Karuna – Mitgefühl
- Mudita – Mitfreude
- Upekkha – Gleichmut / Gelassenheit
Diese vier Qualitäten stehen in enger Beziehung zueinander. Sie lassen sich als verschiedene Facetten derselben Herzenskraft verstehen. Je nach Situation tritt eine andere Seite stärker hervor, mal Mitgefühl, mal Mitfreude, mal Gleichmut, getragen von einer grundsätzlichen Haltung des Wohlwollens.
Metta meint nicht „nett sein“, sondern eine innere Ausrichtung von Wohlwollen und Verbundenheit, allen Wesen und dem Leben nahe zu sein, auch dem, was schwierig ist. So kann Metta wie eine Gegenkraft wirken, die Verhärtung löst und unserem Erleben mehr Weite, Wärme und Menschlichkeit gibt.
Diese Metta-Praxis ist nicht nur „Meditation“ im engen Sinn. In der buddhistischen Tradition bedeutet Kultivierung (Bhavana) auch, sich damit vertraut zu machen, es einzuüben und im Alltag zu verankern – bis diese Herzenshaltung immer leichter zugänglich wird. So wird die Liebende-Güte-Praxis zu einer Einladung, unser Herz zu weiten für uns selbst, für andere und für das Leben insgesamt.
Das Konzept von Metta stammt also aus dem Buddhismus. Den Gedanken aber gibt es in den verschiedensten Traditionen: Im Christentum ist Metta mit dem Begriff der Nächstenliebe vergleichbar. In der vedischen Tradition – zu der ja auch Yoga gehört – finden wir diese allumfassende liebende Güte auch: „Lokah samasta sukhino bhavantu“ ist eines der beliebtesten Mantras im Yoga und sagt genau das aus, was Metta ausmacht: Mögen alle Wesen in allen Welten glücklich sein.
Was ist der Unterschied zwischen der Metta- und der Achtsamkeitsmeditation?
Im Buddhismus gibt es zwei grundlegende Meditationsrichtungen:
- Achtsamkeitsmeditation (Vipassana): Präsenz im Hier und Jetzt, Beobachten ohne Bewertung.
- Konzentrationsmeditation (Samatha): Fokus auf ein bestimmtes Objekt – zum Beispiel ein Mantra oder die Sätze der Liebende-Güte-Meditation.
Für viele Anfänger:innen ist die Metta-Meditation leichter, weil der Geist einen konkreten Anker hat. Man driftet weniger ab, und die emotionale Qualität der Sätze führt zu einem warmen, motivierenden Gefühl.
Für sogenannte Monkey Minds – sehr aktive, schnell ablenkbare Geister – ist Metta oft der perfekte Einstieg.
Wie kannst du Metta üben?
Die beste Möglichkeit, Metta zu praktizieren und zu kultivieren, ist in der Meditation (eine Anleitung dafür findest du weiter unten im Artikel). Denn je mehr wir das Gefühl der liebenden Güte und des Wohlwollens allen Wesen gegenüber in uns verankern, desto leichter fällt es uns auch im Alltag, mehr Herzenswärme zu zeigen. Und zwar sowohl uns selbst als auch anderen gegenüber!
Denn das ist das Tolle an der Metta-Meditation: Wir können uns gleichzeitig in Selbstliebe, Geduld, weniger Urteilen und einer positiven Sichtweise üben... Und du bist dann hoffentlich nicht nur freundlicher und geduldiger mit der Kassiererin, die mal wieder viel zu lange braucht, sondern auch mit dir selbst, wenn dir an der Kasse einfällt, dass du die wichtigste Zutat für das Abendessen vergessen hast.
Metta ist keine Gefühls-Challenge
Du musst nicht permanent Wärme, Liebe oder ein großes „Herzchakra-Feuerwerk“ spüren. Manchmal fühlt sich Metta weit und weich an, manchmal schlicht und leise. Entscheidend ist weniger, was du fühlst, sondern wohin du dich innerlich ausrichtest: Weg von Ablehnung und Selbstkritik, hin zu Wohlwollen. Und Metta muss nicht nur auf dem Kissen stattfinden. Du kannst sie im Alltag wahrnehmen und stärken, zum Beispiel, wenn du Hilfe annimmst oder gibst, Dankbarkeit spürst, dich in der Natur verbunden fühlst oder in einem schwierigen Moment bewusst freundlich bleibst.
Anleitung für die Metta-Meditation
1. Finde einen ruhigen Ort für deine Meditation und setze dich bequem auf ein Meditationskissen oder auf einen Stuhl, wenn das für dich angenehmer ist.
2. Schließe deine Augen und konzentriere dich zunächst auf deine Atmung. Wenn du dich ein wenig gesammelt hast und im gegenwärtigen Moment angekommen bist, starte mit der Metta-Meditation.
3. Sage dir dazu im Geist zunächst folgende Sätze:
„Möge ich glücklich sein.
Möge ich gesund sein und frei von Leid.
Möge ich frei sein von Hass und Gier.
Möge ich voller Ruhe, Frieden und Gelassenheit sein.”
Du kannst die Sätze auch ein wenig abwandeln, sodass sie dir natürlicher erscheinen und besser für dich persönlich passen. Wiederhole die Sätze so oft, bis du ihren Inhalt wirklich verinnerlicht hast und die liebende Güte für dich selbst spüren kannst.
4. Suche dir als Nächstes eine Person, die dir nahesteht und die du gern hast. Sprich dann in Gedanken wieder mehrmals die Sätze:
„Mögest du glücklich sein.
Mögest du gesund sein und frei von Leid.
Mögest du frei sei von Hass und Gier.
Mögest du voller Ruhe, Frieden und Gelassenheit sein.“
Versuche auch hier, dir die Person so gut es geht vorzustellen und ihr diese Dinge wirklich von Herzen zu wünschen.
5. Nun folgt eine Person, zu der du ein neutrales Verhältnis hast. Die du also weder besonders gern magst noch eher ablehnst. Sag wieder einige Male im Geist diese Sätze zu dieser Person.
„Mögest du glücklich sein.
Mögest du gesund sein und frei von Leid.
Mögest du frei sei von Hass und Gier.
Mögest du voller Ruhe, Frieden und Gelassenheit sein.“
6. Nun kommt der schwierigste Teil – aber auch der wichtigste, wenn wir wirklich Metta, also liebende Güte entwickeln wollen: ein Mensch, den du nicht magst oder mit dem das Verhältnis sehr schwierig ist. Sprich nun in Gedanken wieder die Sätze und richte sie aus vollem Herzen an diese Person.
„Mögest du glücklich sein.
Mögest du gesund sein und frei von Leid.
Mögest du frei sei von Hass und Gier.
Mögest du voller Ruhe, Frieden und Gelassenheit sein.“
7. Wenn du magst, kannst du die Meditation noch etwas ausweiten und allen Menschen auf diesem Planeten die positiven Wünsche entgegenbringen.
8. Schließe danach in Ruhe die Meditation ab. Atme einige Male tief durch und öffne dann langsam und vorsichtig die Augen.
9. Versuche, das Gefühl von Metta den Tag über weiter zu kultivieren und immer wieder in dir zu spüren.
In diesem Video zeigt Laura Malina Seiler dir eine schöne Metta-Meditation:
Typische Erfahrungen in der Metta-Praxis – und wie du liebevoll damit umgehst
Wenn du mit der Metta Meditation beginnst, kann es sich manchmal so anfühlen, als würdest du in neues Terrain aufbrechen. Viele Menschen glauben, dass etwas „falsch“ läuft, wenn sich die Meditation nicht sofort warm und harmonisch anfühlt. In Wahrheit gehören diese kleinen Stolpersteine einfach dazu – sie sind ein Zeichen dafür, dass du übst, dass du innerlich arbeitest und dass du dich öffnest. Hier ein paar der häufigsten Erfahrungen und warum du dir deswegen keine Sorgen machen musst:
1. Du fühlst nichts.
Vielleicht sitzt du da, wiederholst die Metta-Sätze und wartest auf dieses berühmte warme Gefühl im Herzen… und nichts passiert. Das kann verunsichern, aber es ist vollkommen normal. Metta ist wie ein Muskel, den wir lange nicht benutzt haben: Er braucht Zeit, um sich zu stärken. Oft zeigt sich die Veränderung nicht sofort in einem Gefühl, sondern erst später – in deinem Verhalten, deiner Geduld, deiner Sanftheit. Vertraue darauf, dass die Praxis in dir arbeitet, auch wenn du es noch nicht spürst.
2. Du empfindest Widerstand bei schwierigen Personen.
Fast jeder kennt diesen Moment: Bei manchen Menschen fällt es schwer, ihnen liebevolle Wünsche zu schicken. Vielleicht zieht sich innerlich etwas zusammen oder du merkst, dass du gar nicht erst anfangen willst. Das ist zutiefst menschlich. Metta bedeutet nicht, dass du jemanden mögen musst – es bedeutet, dass du dir erlaubst, nicht im Groll stecken zu bleiben. Sei sanft mit dir. Schon die Bereitschaft, irgendwann Metta schenken zu wollen, ist selbst ein Ausdruck von Metta. Du musst nichts erzwingen. Lass die Praxis dich langsam in diese Richtung führen.
3. Du möchtest alles perfekt machen.
Manche Menschen setzen sich in die Meditation und wollen „alles richtig machen“ – die perfekten Sätze, das perfekte Gefühl, die perfekte Haltung.
Aber Metta ist keine Prüfung und keine Liste, die man abhaken muss. Es ist eine Herzpraxis, und Herzen sind nun mal unordentlich, zart, widersprüchlich. Es geht nicht um Perfektion, sondern um Aufrichtigkeit.
Wenn du zwischendurch abschweifst oder ungeduldig wirst, ist das kein Fehler, sondern Teil des Weges.
4. Du vergisst dich selbst.
Ein sehr verbreitetes Missverständnis ist, dass Metta vor allem für andere da ist. Viele Menschen tun sich schwer damit, die liebevollen Sätze zuerst auf sich selbst zu richten. Doch genau das ist so wichtig: Ohne Selbstmitgefühl fehlt die Basis für echtes Mitgefühl mit anderen. Wenn du dich selbst immer wieder auslässt, wird Metta schnell zu einer Pflichtübung statt zu einer Ressource der Wärme. Beginne deshalb jedes Mal mit dir selbst – nicht aus Egoismus, sondern weil ein weiches Herz bei dir beginnt.
Beginne deine tägliche Herzenspraxis
Die Metta Meditation ist eine der zugänglichsten Methoden, um liebevolle Güte zu entwickeln, für dich selbst und alle Wesen. In einer Welt voller Tempo, Emotionalität und Unsicherheit wird diese einfache Praxis schnell zu einem wertvollen inneren Kompass. Vielleicht probierst du gleich heute eine kurze Session aus: „Möge ich sicher und friedlich sein. Mögen alle Wesen glücklich sein.“
Quellen:
- Fred von Allmen: „Dharma-Vorträge“ (Link zum PDF, abgerufen am 05.12.2025)
- Sharon Salzberg (2020): Loving Kindness – The Revolutionary Art of Happiness. Shambhala Classics.



