
Atemübungen bei Stress: Der Atem als Ressource
Atem und Psyche sind eng miteinander verbunden
Dein Atem ist der Spiegel deines Innenlebens – in jedem Moment. Er reagiert fein und unmittelbar auf physische und psychische Veränderungen. Wenn du gestresst bist, wird dein Atem schneller, flacher, vielleicht stockt er. Wenn du entspannt bist, wird er langsamer, sanfter, vielleicht runder.
Das ist ein spannender Hinweis für ein gesundes Leben im 21. Jahrhundert. Für viele von uns kommt der moderne Alltag mit einer übermäßigen Stressbelastung daher. Dauerstress ist toxisch für die Gesundheit. Darum ist gesundes Stressmanagement heute zentral. Mit dem Atem an deiner Seite kannst du Stress neu begegnen. Denn: So wie dein Erleben deinen Atem verändert, verändert der Atem auch dein Erleben.
Der Atem als Werkzeug
Der Atem ist der einzige Körperprozess, der autonom passiert und dennoch von dir gelenkt werden kann. Anders als Herzschlag oder Verdauung kannst du Atemrhythmus und -tiefe bewusst beeinflussen und darüber wiederum Herz und Verdauung. Weil der Atem so viele Systeme reguliert, ist er ein wertvolles Werkzeug der Selbstfürsorge. Wer resilienter mit Stress umgehen will, tut gut daran, den Atem in den Fokus zu rücken. In akuten Situationen kann er dich in der Selbstregulation unterstützen – und ein gesunder Alltagsatem ist eine wichtige Basis für ein Leben in Balance.
Die Stressoren unserer Zeit
Stress gab es schon immer – er gehört zum Leben dazu. An sich ist er nichts Negatives, sondern ein schlauer Mechanismus, um mit Umweltreizen umzugehen. Doch wird er chronisch, nicht verarbeitet oder auf ungesunde Weise reguliert, macht Stress uns krank. Dauerstress schwächt das Immunsystem und kann zu Herz-Kreislauf-, Verdauungs- oder psychischen Erkrankungen wie Angst, Depression oder Burn-out führen. Er setzt komplexe biochemische Prozesse in Gang, die sich bis tief in die Zellen auswirken. Wenn wir die Stressoren unserer Zeit besser verstehen, erkennen wir, warum unser Atem so wertvoll ist.
Warum sind wir heute so gestresst?
Kurz: Der Mensch im 21. Jahrhundert ist weit entfernt von einem natürlichen Leben, das unseren Körpern und Nervensystemen entspricht. Trotz medizinischer Fortschritte und generell besserer Lebensstandards leben wir in einer Welt voller neuer Stressfaktoren. In einer leistungsgetriebenen Konsumgesellschaft mit ständigem Reizüberfluss, Zeitdruck und wachsender Unsicherheit durch globale Krisen nehmen psychischer Stress und Zukunftsängste zu. Gleichzeitig fühlen sich viele Menschen einsam und es fehlt an Gemeinschaft und echter Verbundenheit. Kein Wunder, dass vielen immer öfter die Luft wegbleibt. Überforderung ist zum kollektiven Gefühl geworden. Wenn ich ständig fühle, dass ich nicht bewältigen kann, was mir begegnet, entsteht eine ungesunde Stressbelastung.
„Wir leben heute einfach unnatürlicher. Das bildet sich in natürlichen Prozessen wie dem Atmen, aber auch in anderen Prozessen wie Schlafen oder Bewegung ab – die natürlichsten Dinge, für die wir eigentlich keine Bedienungsanleitung brauchen“, sagt Ralph Skuban, Experte rund um Themen der Atem- und Körperarbeit. „Der Atem entgleist, weil wir uns eine unnatürliche Welt geschaffen haben, mit Körpern, die für diese Welt einfach nicht gebaut sind.“
Ralph Skuban sieht den Atem als zentrales Werkzeug auf dem Weg zu einem gesunden Leben, das uns stützt und in dem wir Stress besser begegnen können. Dabei geht es für ihn weniger um komplexe Atemtechniken, sondern erst einmal darum, den Alltagsatem zurück in sein gesundes Muster zu führen. „Wenn wir nachhaltig Stress haben, den wir nicht loswerden oder ausagieren können, dann verändert das die Atmung. Wenn das über einen längeren Zeitraum geschieht, dann bildet die Atmung ein Stressmuster ab. Dann füttert die Atmung den Stress – und wird selbst ein Stressor.“ Die meisten Menschen haben ein dysfunktionales Atemmuster entwickelt, sagt Ralph Skuban, und plädiert dafür: Bevor wir mit Techniken willentlich in den komplexen Atemprozess eingreifen, sollten wir erst einmal zurück zu den Atembasics kommen.
Ein gesunder Alltagsatem
Eine Hauptursache für eine ungesunde Atmung ist also Stress, weil der Atem hier flach und schnell wird. Das am häufigsten vorkommende dysfunktionale Atemmuster ist daher die Überatmung (Hyperventilation).
Wie aber sieht ein gesunder Atem aus? In seinem Buch „Richtig atmen. Das Praxisbuch für mehr Gesundheit“ hat Ralph Skuban fünf Kennzeichen des gesunden Atmens im Alltag formuliert, die er die „Big Five“ nennt.
Die Big Five des gesunden Atmens sind:
- Eine gesunde Atmung geht immer durch die Nase, auch beim Schlafen oder Sprechen. Nur wenn sie verstopft ist oder bei hoher Belastung, z. B. beim Sport, kommt die Mundatmung unterstützend dazu. Die Nase filtert unter anderem die Atemluft, feuchtet sie an und wärmt sie vor.
- Die Bauchatmung ist die natürliche Art zu atmen. Dabei arbeitet das Zwerchfell, der wichtigste Atemmuskel, und der Atem bewegt sich in die Tiefe.
- Ein gesunder Alltagsatem ist im Ruhezustand langsam – pro Minute gelten als Messwerte zwischen acht und zwölf Atemzüge.
- Die Atmung ist mühelos und unangestrengt.
- Die Atmung ist leise und idealerweise nicht einmal vom Atmenden selbst hörbar.
Die Alltagsatmung ist nach Ralph Skuban dysfunktional, wenn eines dieser fünf Kennzeichen nicht erfüllt ist. Dann entsteht die Überatmung. Um zum funktionalen Atem zurückzufinden, hilft ein systematisches Atemtraining, um die Bereiche Atembewegung, Atemmenge und Atemrhythmik wieder ins Lot zu bringen. „Wenn du natürlich atmest, kannst du den Stress trotzdem nicht einfach wegatmen. Aber du hättest eine Atemgesundheit, die insgesamt in diesem Copingprozess unterstützend ist“, so Skuban. Dabei ist die richtige Atemmenge essenziell wichtig. Hier steht überraschenderweise nicht der Sauerstoff im Fokus, sondern ein anderes Molekül.
Kohlendioxid, das unterschätzte Molekül
Eine zentrale Rolle im gesunden Atemprozess spielt Kohlendioxid (CO₂) – ein Signalmolekül, das lange als bloßes Abfallprodukt galt. Bei einer höheren Konzentration von CO₂ in den Geweben steigt die Bereitschaft der roten Blutkörperchen, den an sie gebundenen Sauerstoff abzugeben – das wird als Bohr-Effekt bezeichnet. Ohne ausreichenden CO₂-Spiegel bleibt Sauerstoff zu fest an die roten Blutkörperchen gebunden – selbst bei voller Sauerstoffsättigung im Blut erreicht er die Zellen dann schlechter. Entscheidend ist also nicht, wie viel Sauerstoff über den Atem aufgenommen wird, sondern wie gut er auf Zellebene verwertet werden kann.
Durch Überatmung – z. B. durch eine stressbedingte schnelle Brustatmung – wird allerdings zu viel CO₂ abgeatmet. Das hat nicht nur unmittelbare Auswirkungen auf die Sauerstoffversorgung der Zellen, sondern verändert langfristig auch die individuelle CO₂-Toleranz: Der Körper gewöhnt sich an niedrigere CO₂-Werte und die CO₂-Toleranz sinkt. Schon bei geringer körperlicher Belastung löst der steigende CO₂-Spiegel dann übermäßig schnell das Gefühl von Atemnot aus. Eine stressbedingte, chronische Hyperventilation entsteht – oft unbemerkt, aber nicht selten mit weitreichenden Folgen für Gesundheit und innere Balance.
Genau hier setzt gezieltes Atemtraining an. Die Wiederherstellung einer gesunden CO₂-Balance gelingt durch sanfte Atemübungen, die die Atemmenge reduzieren und den sogenannten „Lufthunger“ erzeugen (siehe die Atemübung „Wolke“). Hier lernt das System, höhere CO₂-Werte wieder als normal zu akzeptieren. „Die CO₂-Toleranz trainierst du immer dann, wenn du an den Triggerpunkt kommst, an dem dein Atem dir sagt: Du atmest weniger, als ich gewöhnt bin, du musst mehr atmen“, sagt Ralph Skuban. „Lufthungerpraktiken sind eines der Kernelemente, die ich mit meinen Teilnehmer:innen systematisch übe. Wir machen Atemfasten, wenn du so willst. Auch schlicht eine falsche Vorstellung vom gesunden Atemprozess mit zu großen Atemzügen lässt Überatmung entstehen“, so Skuban weiter. Das beobachte er oft in der modernen Yogaszene – meist mit der Begründung, hierdurch mehr Sauerstoff aufzunehmen, was falsch sei. Richtig verstanden und dosiert kann Pranayama ein wirkungsvolles Werkzeug zur Selbstregulation sein.
Wenn der Atem sich im Alltag wieder natürlich und ruhig vollziehen darf, kann er seine volle Wirkung entfalten: Er stabilisiert das Nervensystem, fördert die Durchblutung, stärkt das Immunsystem und verbessert die Sauerstoffversorgung auf Zellebene. Langfristig wirkt sich das nicht nur körperlich, sondern auch mental-emotional aus – als echte Ressource für Regeneration und innere Balance.
Sanfte Atemübungen zum Stressabbau
Mit einem gesunden Alltagsatem als Basis können Atemübungen helfen, in den Ruhemodus zurückzufinden. Du kannst sie nutzen, um dein Nervensystem so zu regulieren, dass du wieder näher an den Zustand der Entspannung rückst. Denn der Atem ist der Hauptschalter des autonomen Nervensystems.
Das autonome Nervensystem sorgt für unser inneres Gleichgewicht und reguliert viele überlebensnotwendige Funktionen. Seine zwei Stränge, Sympathikus und Parasympathikus, sind beide zentral und ergänzen einander:
- Der Sympathikus ist leistungsfördernd und bewirkt Aktivierung im System (Fight-or-Flight-Modus). Er sorgt unter anderem dafür, dass die Muskelspannung steigt, das Herz schneller schlägt, der Blutdruck steigt und der Atem schneller wird.
- Der Parasympathikus ist erholungsfördernd und sorgt für Entspannung und Regeneration (Rest-and-Digest-Modus). Der Muskeltonus sinkt, das Herz schlägt langsamer, die Verdauung wird aktiviert, die Atmung beruhigt sich. Bei Dauerstress ist der Sympathikus überaktiviert – wir sind in Daueralarmbereitschaft.
Darum ist es bei Stress heilsam, den parasympathischen Anteil zu aktivieren – das geht zum Beispiel mit sanften Atemübungen, bei denen die Ausatmung betont wird (siehe Atemübung „Bienensummen“). Die Ausatmung ist das Loslassen, das Hineinentspannen im Atemprozess. Auch die Bauchatmung ist hierbei ein wichtiger Faktor, denn diese Zwerchfellatmung aktiviert den Parasympathikus. Die Brustatmung brauchen wir im Alltag in entspanntem Zustand nicht. Sie kommt in der Regel dazu, wenn wir gestresst oder angespannt sind oder unterstützend bei starker körperlicher Aktivität. Damit ist die unbewusste Brustatmung bei vielen Menschen heute ein Ausdruck ihres Dauerstresses geworden.
Atemfokus gegen das Kopfkino
Auch deinen Fokus auf den Atem zu lenken, kann Stress entgegenwirken. Erinnerung: Stress entsteht über das Gefühl der Überforderung – ob durch eine reale Gefahr oder ein nicht stoppendes Gedankenkarussell aus Ängsten und Sorgen, ist erst einmal irrelevant. Denn Stressgefühle sind in hohem Maße Kopfsache und entstehen subjektiv aufgrund unserer Bewertungen. Dafür entscheidend, ob jemand eine Situation als belastend empfindet und sie somit Stress auslöst, ist die kognitive Bewertung eines Reizes als positiv, irrelevant oder stresshaft. Nicht jeder Reiz führt bei jedem Menschen zu einer Stressreaktion.
Wenn du also liebevoll und konsequent übst, dich statt auf sorgenvolle Gedanken auf den weichen Fluss deiner Atmung zu konzentrieren, kannst du langfristig vielleicht schneller aus Grübelspiralen aussteigen. Dafür wende dich in akuten Stressmomenten deinem Atem in einer Achtsamkeitsmeditation wie einem guten, wohlwollenden Freund zu, und versuche, deine Gedanken ziehen zu lassen (siehe Atemübung „Atemfokus auf die Bauchatmung“). Der Kopf fährt mehr runter, weil du mehr im Moment bist, ganz bei einer Sache, nicht im Multitasking-Modus. Du hast damit auch die Chance, dich selbst besser kennenzulernen – denn wenn du die Signale deines Körpers verstehen lernst, kannst du auch besser erkennen, was deine individuellen Stressoren sind und reflektieren, wie du ihnen gesünder begegnen kannst.
Gesund atmen, ganzheitlich leben
Der Atem ist also eines der kraftvollsten Werkzeuge zur Aktivierung unserer Selbstheilungskräfte, das wir kostenfrei mit auf den Lebensweg bekommen haben. Mit ihm als Ressource kannst du Stress vielleicht neu begegnen und wieder ein Stück mehr in deine Mitte rücken. Trotzdem ist der Atem kein Allheilmittel, das Stress einfach wegzaubert. Wie viele ganzheitliche Praktiken wirken Atemübungen, Atemfokus und der gesunde Alltagsatem am besten präventiv – als Stütze, um Körper und Geist gesund zu erhalten, sodass wir täglich mehr aus unserer Kraft heraus agieren und den Herausforderungen des Lebens gut begegnen können.
Praktische Tipps für Atemübungen
Hier geht es in die Atempraxis. Folgende Aspekte kannst du beachten:
- Den Alltagsatem harmonisieren: Lern vielleicht erst einmal deinen ganz natürlichen Atem intim kennen und bring ihn ggf. zurück in sein gesundes Maß, bevor du ihn mit (intensiven) Übungen manipulierst. Rundum gesunde Menschen können sich gerne auf Atemexperimente einlassen.
- Langsam einsteigen: Wie viele Wiederholungen, Übungsrunden oder Atemübungen pro Tag? Diese Frage ist sehr individuell und kann nicht pauschal beantwortet werden. Als Ausrichtung gilt: Sanft einsteigen, allmählich steigern und regelmäßig üben.
- Nichts erzwingen: Übertriebener Ehrgeiz gehört nicht in die Atempraxis – lieber spüren wollen statt leisten müssen. Sonst verstärkst du vielleicht den Stress, den du eigentlich lösen willst.
- Bewusst sein: Nähere dich dem Atem mit deiner vollen Präsenz. Ein Moment der Zentrierung vor einer Atemübung hilft, die eigenen Atembedürfnisse zu spüren und zur Ruhe zu kommen.
- Leerer Magen: Am besten machst du Atemübungen auf einem leeren oder nicht zu vollen Magen.
- Wann atmen? Morgens nach dem Aufwachen ist der Kopf oft noch ruhiger und der Magen leer, was den Fokus beim Atmen fördert. Aber gerade Übungen bei akutem Stress kannst du prinzipiell zu jeder Tageszeit ausführen, gerne auch kurz vor dem Schlafengehen zum Herunterfahren.
- Kontraindikationen beachten: Für manche Atemübungen (gerade intensivere Techniken) gibt es Kontraindikationen, etwa Schwangerschaft oder Bluthochdruck. Diese solltest du kennen. Bei den folgenden Übungen sind sie angegeben, sofern vorhanden.
- Anleitung suchen: Wenn du dir unsicher bist, such dir Anleitung durch eine Expertin oder einen Experten.
5 Atemübungen bei Stress
Die folgenden Übungen können dich unterstützen, dich bei starkem Stress zu regulieren. Beachte: Nutze Atemübungen immer achtsam und umsichtig! Denn der Atem ist komplex und subtil.
1. Die Wolke
Diese Übung aus dem Buch von Ralph Skuban dient der sanften Atemreduktion, um so die CO₂-Toleranz nach oben zu trainieren. Die Visualisierung der Wolke hilft dabei, den Atem dosiert weniger werden zu lassen – gerade so wenig, dass du einen Lufthunger verspürst, den du für ein paar Minuten aufrechterhalten kannst.
Kontraindikationen: Mach diese Übung nicht, wenn du schwanger bist, an Sichelzellenanämie oder an akuten, starken Herzbeschwerden leidest.
So geht’s
- Sitz bequem: Schließ gern die Augen, das unterstützt den Fokus auf das reduzierte Atmen. Komm für einen Moment zur Ruhe.
- Nase und Zwerchfell: Nimm dir etwas Zeit für natürliches, entspanntes Atmen: Atme durch die Nase, der Brustraum bewegt sich nicht. Entspann dich in der Ausatmung. Nach 2–3 Minuten beginne mit der „Wolkenatmung“.
- Wolke: Stell dir eine Wolke vor, die sich synchron mit deiner Atmung weitet und schrumpft. Wenn du einatmest, wird die Wolke dicker, mit der Ausatmung wird sie wieder kleiner.
- Atemreduktion: Lass die Wolke jetzt allmählich kleiner werden: Wenn du einatmest, wird sie nicht mehr so dick wie zuvor. Dann atmest du aus, so entspannt wie möglich. Du „schrumpfst“ die Wolke. Nach einigen Atemzügen wirst du das Einsetzen von Lufthunger bemerken: Du würdest gerne etwas größere Atemzüge machen. Suche einen Punkt, auf den du dich für 2–3 Minuten einlassen kannst. „Ich merke, dass ich weniger Luft bekomme, als ich es gewohnt bin. Ja, ich würde jetzt gerne etwas mehr atmen. Aber ich kann es in diesem Moment gut tolerieren, ohne dass es mich stresst.“ Bleib 2–3 Minuten dabei.
- Natürlich atmen: Nach der Atemreduktion gib den Atem wieder frei und lass ihn natürlich gehen. Bleib 1–2 Minuten dabei, dann schließe eine weitere Runde der „Wolkenatmung“ an. Vielleicht möchtest du sogar 3 oder 4 Runden machen, das wäre schon ein richtig wirkungsvolles CO₂-Toleranztraining!
Hinweis: Vermeide es nach der Atemreduktionsphase einen extra großen Atemzug zu machen.
2. Kohärente Atmung
Die Kohärente Atmung (auch Resonanzatmung genannt) bezeichnet James Nestor in seinem bekannten Buch „Breath. Atem“ als die „vollkommene Atmung“. Diese Slow-Breathing-Übung wirkt beruhigend, weil sie Herz, Lungen und Kreislauf in den Zustand der Kohärenz, also des Gleichklangs, führt. Kohärentes Atmen optimiert die Regulationsfähigkeit des Nervensystems zwischen Sympathikus und Parasympathikus. Die Gleichung ist simpel und leicht zu merken:
So geht’s
- Komm in einen aufrechten und möglichst bequemen Sitz.
- Atme durch die Nase ein und aus. Wenn du willst, schließe die Augen.
- Nimm dir einen Moment, um dich zu fokussieren und beobachte für etwa zwei Minuten deinen natürlichen Atemfluss.
- Jetzt atme in folgendem Rhythmus: 5,5 Sekunden lang in den Bauch sanft ein, dann ohne Pause 5,5 Sekunden lang sanft aus. Die Atmung sollte sich wie ein Kreislauf anfühlen.
- Das ergibt 5,5 Atemzüge pro Minute (und ein Atemvolumen von etwa 5,5 Litern).
- Übe etwa 5–10 Minuten, gerne täglich.
3. Bienensummen
Beim Bienensummen verlängert sich die Ausatmung und eine wohltuende Vibration entsteht in Kehle, Kopf und Brustraum.
So geht’s
- Komm in einen aufrechten und möglichst bequemen Sitz.
- Atme durch die Nase ein und aus. Wenn du willst, schließe die Augen.
- Nimm dir einen Moment, um dich zu fokussieren und beobachte für etwa zwei Minuten deinen natürlichen Atemfluss.
- Dann lass ausatmend das Geräusch einer summenden Biene in der Kehle entstehen. Durch die Nase ein, langsam und verlängert mit Bienensummen durch die Nase aus. Bleib dabei entspannt.
- Mach einige Wiederholungen, so wie es sich für dich gut anfühlt, z. B. 5–10 Atemrunden. Dann atme wieder natürlich und spür kurz nach. Wenn du willst, mach noch 1 oder 2 weitere Runden.
4. In die Hände atmen
Diese Übung eignet sich für akute Stresssituationen, z. B. vor einer Prüfung, und auch bei beginnenden Panikattacken oder Asthmaanfällen. Die Übung erzeugt durch Rückatmung eine erhöhte CO₂-Konzentration im Blut, wodurch sich die Atemwege und Blutgefäße weiten und der Atem sich beruhigt.
So geht’s
- Leg die Hände wie eine Schale vor Mund und Nase.
- Optional kannst du dabei deine Ellenbogen auf einem Tisch abstützen.
- Atme für einige Minuten in die Hände, sodass du die Ausatemluft wieder einatmest.
5. Atemfokus auf die Bauchatmung
Du kannst dir diese Bauchatmung wie eine Achtsamkeitsmeditation mithilfe des Atems vorstellen – denn der Atem ist immer jetzt. Den Fokus auf den Atem zu lenken, macht es möglich, aus Gedankenspiralen auszusteigen. Wenn bei der Bauchatmung das Zwerchfell gesund arbeitet, wird außerdem der Parasympathikus stimuliert.
So geht’s
- Die Bauchatmung kannst du im Sitzen oder auch im Liegen durchführen. Finde eine Position, in der dein Körper möglichst entspannt ist, im Sitzen mit aufrechtem Oberkörper.
- Atme durch die Nase ein und aus. Wenn du willst, schließ die Augen.
- Dann leg eine Hand auf deinen Brustraum und eine Hand auf den Bauch, etwas oberhalb des Bauchnabels.
- Ohne den Atem zu verändern nimm wahr, ob, wie und wo sich dein Körper mit dem Atem bewegt.
- Dann lenk den Fokus auf deine untere Hand. Fokussiere dich auf den Bauchraum und nimm hier die Atembewegung wahr. Dein Brustraum darf zu Ruhe kommen.
- Bleib mit deinem ganzen Fokus bei dieser Atembeobachtung. Wenn Gedanken auftauchen, die dich in die Vergangenheit oder Zukunft führen, werde dir dessen möglichst ohne Wertung gewahr – und lass sie weiterziehen, ohne dich in ihnen zu verlieren.
- Komm immer wieder zurück zur Atembeobachtung.
- Du kannst die bewusste Bauchatmung 3, 10, 30 oder mehr Minuten täglich üben – und sie nutzen, um dich in einer akuten Stresssituation wieder in den Moment und raus aus dem Kopf zu holen.
Interviewpartner:

Dr. Ralph Skuban ist erfolgreicher Buchautor, promovierter Politikwissenschaftler und war viele Jahre in der Demenzarbeit tätig. Die Konfrontation mit dem Zerfall des Geistes und dem Tod brachte ihn zunächst zur östlichen Philosophie, dann zur Körper- und Atemarbeit. Mit seiner Frau Nella leitet er international Ausbildungen, Workshops und Retreats rund um Atem- und Körperarbeit.
Ralphs neues Buch „Richtig atmen. Das Praxisbuch für mehr Gesundheit” ist im Mai 2025 im Verlag O.W. Barth erschienen. Mehr über Ralph Skuban erfährst auf Skuban Akademie.
Quellen:
- Ralph Skuban: „Richtig Atmen. Das Praxisbuch für mehr Gesundheit“. O.W. Barth 2025.
- James Nestor: „Breath. Atem – Neues Wissen über die vergessene Kunst des Atmens“. Piper 2020.
- Anna Trökes: „Mit Yoga zur Selbstheilung. Übungen zur Stärkung unseres Immunsystems“. Herder 2019.
- Stressstudie der Techniker Krankenkasse, 2021



