Yoga für Dicke: Birgit Feliz Carrasco über Yoga X-Large
Bild: Birgit Feliz Carrasco

X-Large Yoga: Dick im Trend und endlich akzeptiert

Von Birgit Feliz Carrasco

Schluss mit der Stigmatisierung!

„Du bist Yogalehrerin?!”, fragen mich immer wieder Leute, während ihre Augen staunend von Kopf bis Fuß über meinen Körper wandern. „Ja, geht das denn, wenn man... ich meine, äh, ähm, ...dick ist?”. Ich bin immer wieder amüsiert über dieses Erstaunen. Und das seit Jahrzehnten, denn so lange praktiziere ich bereits als Yoga-Therapeutin. Hast du schon mal die Frage gehört: „Yoga machen? So dünn wie du bist ... geht das denn überhaupt?” Gerne erkläre ich den Fragenden, dass im Yoga alles möglich ist. Denn Yoga bedeutet (abgeleitet vom ursprünglichen Wortstamm) „Vereinigung” oder „Verbindung”. Damit ist die Vereinigung aller unserer Wesensanteile von Körper, Geist und Seele mit dem höheren, schöpferischen, göttlichen Prinzip gemeint. Eine Ausgrenzung von Dicken oder Dünnen ist weder im Wort Yoga noch in der Yogalehre impliziert. Also: Why not?

Jeder kann Hatha Yoga praktizieren, gleich welchen Alters, gleich welcher Körperkonstitution, gleich welcher Konfektionsgröße. So habe ich das für mich am eigenen Körper erfahren, so lehre ich es seit langer Zeit und so beschreibe ich es in meinem Buch Yoga X-Large – Auch Dicke können Yoga machen


Yoga Programm X-Large für Füllige


Yoga X-Large: Trend oder Lebensrealität?

Ich mag Yoga X-Large gar nicht mehr als Trend bezeichnen. Es ist eher eine lange überfällige Ergänzung der vielen populären Yogastile, die unterschiedliche Menschentypen ansprechen. Was ist jetzt anders als noch vor einigen Jahren? Ich denke, unsere Gesellschaft wird toleranter und kommt langsam von dem eingefahrenen Denken weg, dass dick gleichbedeutend mit ungesund ist. Menschen in Plus-Size-Größen gehören zum Straßenbild, es gibt Wettbewerbe für Curvy-Models, schöne Mode und Dessous in großen Größen und sogar TV-Moderatoren und Schauspieler mit X-Large-Erscheinungsbild. Mir gefallen diese Veränderungen und diese neue Offenheit. Ich freue mich, wenn dicke Frauen und Männer stetig mehr Selbstbewusstsein erlangen und zu „Happy Yogis” statt zu „Biggest Losern” werden und auf Toleranz und Akzeptanz treffen.

Darf man dick sagen?

Das Adjektiv „dick” ist genauso wenig wie „dünn” eine Diffarmierung, im Gegensatz zu „fett” oder „dürr”, was meist weniger freundlich gemeint ist. Wortspielereien wie Curvy-Yoga, Molly-Yoga, Vollweib-Yoga oder Buddha-Belly-Yoga sind nette Marketingnamen, die ebenfalls zeigen, dass Dicke sich nicht mehr aus der Yogaszene ausschließen lassen. Und doch bekomme ich immer wieder Zuschriften von Menschen, die mir berichten, dass sie sich in üblichen Yogaklassen weder willkommen noch aufgehoben noch verstanden fühlen. Warum ist das so? Meiner Erfahrung nach gibt es dafür mehrere Gründe: 

  1. Das Schubladendenken im Kopf ist noch nicht gänzlich weggeräumt, und die Schublade für „dick = undiszipliniert = faul = unbeweglich” wird noch allzu oft zwecks rascher Ablage geöffnet. In diesem Aspekt kann jeder persönlich reifen und für sich (erneut) die fünf Yamas des Weisen Patanjali unter dem Aspekt „Bewertung” durchlesen.
  2. Yogalehrende sind meistens selbst dünn und mit dicken Menschen in Kursen einfach überfordert (was ich völlig nachvollziehen kann). Meiner Ansicht und Erfahrung nach ist es wirklich besser, spezielle Kurse für Dicke anzubieten und von dicken Yogalehrenden unterrichten zu lassen, die entsprechend ausgebildet wurden. So fühlt sich jeder wohl, denn darum geht es ja schließlich im Yoga: Lebensharmonie.
  3. Yogalehrende meinen, dass alle Asanas für alle Körper geeignet sind und sich der Mensch dem Yoga anpassen muss und Dicke eben selbst gucken müssen, dass sie „irgendwie mitkommen” im Kurs. Dieser Irrtum ist nicht nur für Dicke gravierend, sondern generell. Bereits Krishnamacharya, sein Sohn Desikachar sowie seine familiären Nachfolger lehrten aus Überzeugung und Erfahrung, dass Yogapraxis auf jeden Menschen individuell abgestimmt werden muss, um körperlichen, chronischen Schaden zu vermeiden. Yogalehrender zu sein, heißt Verantwortung für die anvertrauten Schüler, ihre Körper und ihre Gesundheit zu übernehmen.

Worum geht es im Yoga wirklich?

Wenn wir die Kernpraxis des Hatha Yoga betrachten, geht es darum, den eigenen Körper und die eigenen körperlichen sowie durchaus mentalen Grenzen besser kennenzulernen, um den Organismus vital und den Bewegungsapparat flexibel zu erhalten oder geschmeidiger zu machen. Das durch diese Praxis der Achtsamkeit mit sich selbst eintretende Wohlgefühl ist es, was Millionen von Menschen in ihre Yogastudios pilgern und ihre Yogamatte ausrollen lässt. Klein, groß, dick, dünn, jung, alt.

„Yogapraxis soll drei Qualitäten vereinigen: Klärung, Selbstreflektion und Akzeptanz unserer Grenzen.”

Patanjali

Was ist beim Yoga für Dicke zu beachten?

Dünne Menschen ist meist physiognomisch ähnlich aussehend und ähnlich proportioniert. Bei dicken Menschen ist das Erscheinungsbild sehr unterschiedlich. Bei manchen ist es der Bauch, der füllig ist, andere haben dicke Oberschenkel bei dünnem Oberkörper oder einen großen Po oder die Brüste sind ausladend, oder alles zusammen ist X-Large. Außerdem empfinden sich manche Frauen bereits mit Konfektionsgröße 44 als dick, andere mit Größe 52 als durchschnittlich. 

In meinen Aus- und Fortbildungen für Yogalehrende bitte ich Teilnehmer, sich Kissen und Decken unter das T-Shirt und in die Hose zu stecken. So aufgepolstert kann jeder sofort nachvollziehen, dass eine einfache Asana wie „Fersensitz” oder „Kamel” mit dicken Oberschenkel nicht nur sehr schwierig, sondern auch gefährlich für Knie und Beinvenen ist. Eine Variante des Kamels im Kniestand statt Fersensitz ist jedoch meist möglich und erzielt annähernd die gleichen Heilwirkungen für den Körper. Im sitzenden Kniekuss ist exemplarisch der Bauch hinderlich, also variieren wir indem die Beine gegrätscht werden und dennoch Rücken- sowie rückwärtigen Beinmuskeln gedehnt werden. 

Wichtig ist besonders bei dicken Yogamenschen, die Gelenke nicht zu überlasten, was bei Hund-Haltung, Dreieck, Baum usw. leicht passieren kann, wenn die Körper der praktizierenden Anfänger nicht entsprechend und nach und nach muskulär aufgebaut werden. Armmuskeln sind bei Yoga X-Large besonders essenziell. Und weil es für viele dicke Menschen eine große, durchaus angstbesetzte Hürde darstellt, vom Stehen zum Liegen, vom Liegen zum Vierfüßlerstand und aus dem Vierfüßlerstand wieder zum Stehen zu kommen, ist echtes Feingefühl, Motivation und besonders viel Verantwortungsbewusstsein des Yogalehrenden gefragt. Ich empfehle und praktiziere generell mit dicken Neuanfängern erst einmal viele Übungen im Liegen und Sitzen auf ausreichend weichen Yogamatten ab 8 Millimeter Höhe und großer Fläche, z.B. runden Matten.

Endlich: YogaEasy-Programm für Dicke!

Mit zwei Yoginis, die selbst Yogalehrende sind (Birgit Hoffend und Monika Welscher) haben YogaEasy und ich vier Videos zu folgenden Themen gedreht – die zusammen ein richtig rundes Yoga-Programm für Dicke ergeben:

1. Basic-Übungen in Rückenlage:

2. Basic-Dehn- und Drehbewegungen im Sitzen

3. Basic-Übungen in Vierfüßler-Position:

4. Basic-Übungen in stehenden Positionen

Die Anleitungen und Ausführungen sind bewusst langsam. Sie führen in Atembewusstheit (was besonders wichtig ist) und sind - so du auf dich bewusst achtest und deine heutigen Grenzen akzeptiert - geeignet, dich und deinen Körper besser kennen- und lieben zu lernen. 

„Übe Asanas in Leichtigkeit, ohne Zwang und mit liebevollen Gedanken”

Patanjali

Yoga – Weg der Offenheit

Yoga war und ist, egal in welcher Form, für mich der Weg der Achtsamkeit, Offenheit und Herzensliebe. Lasst uns diesen Weg gemeinsam gehen und die Welt weiterhin mit Yoga verändern. 

Love and Light,

Birgit Feliz Carrasco

Die nächste Yoga-Lehrausbildung „Yoga X-Large – Dicke unterrichten Dicke” von Birgit Feliz Carrasco beginnt Ende September 2019 und wer Birgit als Lehrerin live erleben möchte, kann das in Nordhessen tun. 

Birgit Feliz Carrasco
Birgit Feliz Carrasco

Birgit Feliz Carrasco ist Heilpraktikerin, Seelen-Coach und Yogatherapeutin sowie renommierte Buchautorin und Bloggerin. Sie hält regelmäßig Seminare für spirituelle Bewusstheitsentwicklung, bei denen Interessierte und Yogalehrende, die sich fortbilden wollen gleichermaßen willkommen sind. Informationen zu ihrer beratenden Tätigkeit, Hellfühligkeit und Channeling findest du unter birgitfelizcarrasco.com.

Ilona20.08.2018
Liebe Birgit, ich danke Dir. Als ich mein Yogastudio eröffnet habe, habe ich u. an. Yoga für Pfundsfrauen angeboten. Es kamen zwei. Frau will sich glaube ich nicht als "XL" abstempeln lassen. So habe ich es wieder gelassen. Vielleicht versuche ich es nochmal unter einem anderen Namen. Doch seit Kurzem habe ich zwei XL-Schülerinnen im Einzelunterricht, mit denen ich ganz prima üben kann. Nur das mit dem Herabschauenden Hund geht noch nicht ganz. Die Popos wollen noch nicht nach oben. Aber auch das klappt bald. Die Mädels sind übrigens super gelenkig! Also von wegen "XL und Yoga geht nicht"... Liebe Grüße Ilona
Lisa12.09.2015
Liebe Birgit! Danke für deinen schönen Artikel. Ich bin selbst eine gut gefüllte Größe 42 und immer wieder froh, im Yogastudio nicht die einzige zu sein, bei der man zwischen den Beinen nicht gen den Horizont schauen kann... In den vielen Punkten gebe ich dir recht - Yoga ist wirklich für alle, es kann für jeden adaptiert werden und oft bin ich selbst über das Voranschreiten meiner Praxis als "Speckweckerl", wie wir hier in Österreich sagen, erstaunt. Auch dass das ästhetische Bild immer weniger Problem wird für unsere Gesellschaft (ich war vor kurzem in Großbritannien und war wirklich berührt mit welchem Selbstbewusstsein und welcher großartigen Ausstrahlung dort Frauen mit viel Bauch und Po sie selbst sein dürfen!). Schön zu sehen - und auch da kann Yoga einiges für das Körpergefühl beitragen. Ein Aber habe ich jedoch: Du schreibst, die Leute würden Dick nicht mehr ständig gleichsetzen mit Ungesund. Das ist schön - denn nicht jeder Dicke ist natürlich krank. Doch muss man einfach zugeben: Übergewicht ist aus medizinischer Sicht genau so ein Risikofaktor wie Rauchen - für zahllose Krankheiten, die weit über das klassische Diabetes oder Herzprobleme hinausgehen. Deswegen ist es einfach gesünder einen BMI von unter 27 zu haben, als einen über 30! "Rund und g´sund" stimmt eben halt einfach nicht - genau so wie es nicht stimmt, dass man gleich krank sein muss nur weil man dick ist - es ist eben nur diese Wahrscheinlichkeit, eher krank zu werden - und das sollte man bei all dem neuen Selbstvertrauen nicht aus den Augen verlieren (eben nicht wegen des ästhetischen Aspekts sondern weil unser Körper ein Tempel ist). Nichts desto trotz sehe ich, dass es die Entscheidung eines jeden Menschen selbst ist, ob er z.B. zu rauchen aufhört oder seine Ernährung umstellt. Niemand sollte über andere ein Urteil fällen. Jeder sollte den Mut haben zu praktizieren und einfach er selbst zu sein. LG Lisa