
Die Zahl 108 und ihre spirituelle Bedeutung
Die Bedeutung der Zahl 108 im Yoga
108 ist eine besondere Zahl. Seit Tausenden von Jahren wird sie – vor allem im asiatischen Raum, im Buddhismus, Hinduismus, Sikhismus und Jainismus – in zahlreichen Schriften gehuldigt und als heilig verehrt. Aber ihre Bedeutung beschränkt sich nicht auf abstrakte Philosophie: Die 108 findet sich auch in vielen spirituellen Praktiken, spiegelt sich in architektonischen Werken. Ja, wer tiefer in die Geheimnisse der 108 einsteigt, kann den Eindruck bekommen, dass unser ganzes Universum von der Logik und Symmetrie der Zahl 108 beeinflusst wird.
Aber warum? Warum praktizieren wir Yogi:nis 108 Sonnengrüße, weshalb hat die Mala (Meditationskette) für die Japa Meditation genau 108 Perlen und wieso gibt es im Buddhismus 108 irdische Leidenschaften?
108 – das Universum spiegelt sich in uns
Im Hinduismus und Yoga ist die Zahl 108 das Symbol dafür, dass alles eins ist – und damit jede:r Einzelne von uns Teil des großen Ganzen. In der philosophischen Lehre der Non-Dualität, der Advaita Vedanta, heißt dieses große Ganze „Brahman” – und Brahman ist allumfassend, in allen Formen und formlos, zeitlos und unendlich, alles und nichts.
Und genau das stellt die 108 dar:
- Die 1 symbolisiert die Einheit von allem.
- Die 0 symbolisiert die Formlosigkeit.
- Die 8 symbolisiert die Unendlichkeit.
Um die Bedeutung der Zahl 108 noch tiefer zu erfassen, müssen wir uns der Mathematik zuwenden.
„Mathematik ist das Alphabet, mit dessen Hilfe Gott das Universum beschrieben hat.”
Galileo Galilei
Nicht nur Galilei war davon überzeugt, dass das gesamte Universum durch Zahlen und mathematische Gleichungen erklärt werden könne. Bereits der griechische Gelehrte Pythagoras sah Zahlen als den Ursprung aller Dinge. Für ihn war die Welt ein auf Zahlenverhältnissen basierendes, harmonisch wohl geordnetes Ganzes – eine Definition, die sich übrigens ziemlich gut mit der Beschreibung des griechischen Begriffes „Kosmos” deckt.
Kann also das Mysterium unserer gesamten Existenz durch Zahlen erklärt werden? Die Grenzen von Mathematik und Spiritualität scheinen sich hier zu vermischen. Wird alles Mystische durch Mathematik gelöst, erklärt und entzaubert? Oder liegt in der faszinierenden Logik der Mathematik etwas Göttliches? Im Islam etwa steht die 108 für nichts anderes als „Allah”.
Die Yogis der vedischen Zeit, die bereits 1.200 vor Christus begann, waren nicht nur Rishis (Seher), sondern auch Wissenschaftler und exzellente Mathematiker. Sie leiteten aus ihren Beobachtungen der Natur Gesetze ab, deren Relevanz uns bis heute staunen lassen. So berechneten sie damals schon, dass die Sonne 108 Sonnen-Durchmesser von der Erde und der Mond ebenfalls 108 Mond-Durchmesser von der Erde entfernt ist. Die moderne Wissenschaft bestätigt das – wenn auch mit einer geringen Abweichung aufgrund der elliptischen und nicht kreisförmigen Bewegung der Himmelskörper. Und wer danach sucht, findet weitere Beispiele für die 108 in der Natur: So ist etwa der Durchmesser der Sonne 108 mal so groß wie der Durchschnitt der Erde und der Steinkreis von Stonehenge hat einen Durchmesser von 108 Fuß.
Es ist wichtig zu verstehen, dass für die vedischen Yogis und andere Mystiker Zahlen nichts rein formales, sondern etwas praktisches waren. Sie erlaubten es uns Menschen, die Verbindung zu einem höheren Aspekt unsere Seins zu erkennen und unsere Existenz inmitten dieser Weltordnung zu verstehen. Die innere Welt unseres physischen Körpers, so empfinden es viele spirituelle Menschen, spiegelt die äußere Welt – es gibt eine Verbindung und viele sich wiederholende Muster zwischen dem Mikro- und dem Makrokosmos.
Ein schönes Beispiel dafür ist der 24-Stunden-Rhythmus (circadianer Rhythmus): Genau wie die Erde sich innerhalb von 24 Stunden einmal um sich selbst dreht und der Mondumlauf 24 Stunden (und 49 Minuten) dauert, folgen unsere Herzfrequenz, Stoffwechsel und Hormonspiegel dem circadianen 24-Stunden-Rhythmus und beeinflussen so unseren Schlaf-Wach-Rhythmus. Wir sind im Einklang mit den Einflüssen der Natur – die Zahlen „beweisen” es.

Die mathematische Schönheit der Zahl 108
In der Gesetzmäßigkeit, der Symmetrie von Zahlen liegt eine Schönheit, die auch Nicht-Mathematiker:innen erkennen können. „Es ist genau so, als frage man, warum Beethovens Neunte so schön ist. Wenn sie nicht sehen warum, dann kann es ihnen auch niemand erklären. Ich weiß, dass Zahlen wunderschön sind. Wenn sie es nicht sind, dann ist nichts schön.”, sagte dazu der Mathematiker Paul Erdös.
Im Folgenden findest du einige Beispiele für die faszinierenden Spiele, die man mit der Zahl 108 anstellen kann:
- 1×1=1, 2×2=4, 3x3x3=27 →1x4x27=108
- 1 x 2×2 x 3x3x3=108 (sogenannte „Hyperfakultät”)
- Das Innenwinkelmaß eines gleichmäßigen Fünfecks (Pentagon) beträgt 108 Grad
Hier fällt auch auf, dass die 108 viele Beziehungen zu anderen besonderen Zahlen im Yoga hat: Die 3, die 9 und die 27 sind Zahlen, die im Yoga oft genutzt werden, etwa wenn es um die Anzahl von zu wiederholenden Mantren geht und ähnliches. Besonders zur 9 hat die 108 viele Bezüge:
- 1+0+8=9
- 108/2=54; 5+4=9
- 108/2=54; 54/2=27; 2+7=9
- 108x2=216; 2+1+6=9
- 108x3=324; 3+2+4=9
- Und dann ist die 108 noch eine sogenannte Harshad-Zahl, die durch ihre eigene Quersumme teilbar ist („Harshad” kommt aus dem Sanskrit und bedeutet “Freude”): 1+0+8=9; 108/9=12
Die 108 im Hinduismus und der Yoga-Philosophie
Viele Yogi:nis glauben, dass sie auf energetischer, feinstofflicher Ebene profitieren, wenn sie im Einklang mit dieser Zahl praktizieren – ja sogar die Erleuchtung erreichen können. Wer regelmäßig 108 Mal ein Mantra rezitiert, 108 Sonnengrüße übt, mit den 108 Perlen der Japa Mala meditiert, kann dadurch die eigene Harmonie mit den Schwingungen des Universums erhöhen, heißt es.
Aus diesem Grund findet sich die 108 in hinduistischen Erzählungen, in der Chakra-Lehre, sie ist Bestandteil etlicher spiritueller Praktiken des Buddhismus, ihr wird in der Architektur spritueller Bauwerke gehuldigt, und vieles mehr...
Die 108 im Hinduismus und im Yoga
- Indische Götter haben jeweils 108 Namen, die während religiöser Zeremonien mit Hilfe der 108 Perlen der Mala rezitiert werden. In der indischen Sikh-Tradition sind es übrigens 108 Knoten in einem Wollfaden, die als Gebetskette benutzt werden.
- Shiva tanzt als Nataraj den kosmischen Tanz der Schöpfung, Bewahrung und Zerstörung in 108 verschiedenen Varianten.
- Es wird gesagt, dass Krishna, eine Form des Vishnu, sich als Flötenspieler mit 108 Gopis (Kuhhirtinnen) umgab.
- In der indischen Heilslehre Ayurveda gibt es 108 Marmapunkte, an denen sich besonders viel Lebensenergie bündelt.
- Es wird gesagt, dass 108 Nadis im Herzchakra zusammenlaufen.
- Die Lehre des Tantra geht davon aus, dass wir an einem Tag ungefähr 21.600 Mal atmen, davon 10.800 Mal Sonnenenergie und 10.800 Mal Mondenergie (108x100=10.800).
- Es gibt 108 Upanishaden, eine Sammlung philosophischer Schriften, welche Bestandteil des Veda sind.
- Man sagt, dass 108 die Distanz zwischen unserem Körper und unserem inneren Gott, dem Bewusstsein, repräsentiert.
- In der indischen Astrologie gibt es 12 Tierkreiszeichen und 9 Planeten, also 12x9=108.
- Das Sanskrit-Alphabet besteht aus 54 Silben, jede hat eine weibliche und eine männliche Seite, also 108.
- Und auch die Notruf-Nummer in Indien lautet 108.

Die 108 im Buddhismus
- Im tibetischen Buddhismus gibt es 108 irdische Sehnsüchte oder Leidenschaften.
- Es gibt 108 heilige Bücher in Tibet.
- Im tibetischen Buddhismus werden Gebetsmühlen 108 Mal gedreht.
- Stupas und Tempel werden im Buddhismus 108 Mal umrundet.
- Die buddhistische Gebetskette Juzu besteht aus 108 Perlen.
- Im Zen Buddhismus wird am Neujahrstag die Glocke im Tempel 108 Mal geschlagen.
- Viele buddhistische Tempel haben 108 Stufen und symbolisieren den Weg zur Erleuchtung.
- Die Fußsohlen thailändischer Buddha-Statuen haben häufig 108 Symbole.
- Traditionell werden die „108 Niederwerfungen“ vor Buddha in buddhistischen Tempeln praktiziert.
Die 108 in der spirituellen Architektur
- Der Hohe Tempel von Lamanai in Belize aus der Zeit der Maya ist 108 Fuß hoch.
- Der Tikal-Tempel in Guatemala ist 108 Fuß hoch.
- Im Eklingji-Tempelkomplex in Rajasthan in Indien gibt es 108 Tempel.
- Der Phnom-Bakheng Tempel in Angkor Wat in Kambodscha ist von 108 Türmen umgeben.
Heilige Zahl und mathematischer Zauber
Die Zahl 108 vermag es Wissenschaft und Spiritualität zu vereinen. Ihre Symbolkraft schafft es unsere Welt und Existenz sowohl mathematisch und wissenschaftlich als auch spirituell zu erklären. So gesehen verbindet diese mysteriöse Zahl die physische mit der metaphysischen (geistigen) Welt und ist ein wunderbares Sinnbild dafür, dass alles miteinander verbunden ist.
Quellen:




