Yogastunden sollten kürzer sein!

Von Kristin Rübesamen

 

Solange wie zwei Folgen "Friends"

An manchen Dingen halten wir Yogis eisern fest, so beweglich wir auch sonst sein mögen. Es ist wie mit der Olive im Martini, der Spritze vor der Wurzelbehandlung, den Erdbeeren auf einem Sommerkuchen: eine reguläre Yogapraxis hat 90 Minuten zu dauern. Ganz schön lange, oder?

Nur zum Vergleich: In eineinhalb Stunden fährt man von Berlin nach Hamburg, fliegt man aus Deutschland nach England, langweilt sich bei „Pirates of the Carribean“ und hört eine Vorlesung über Karl Marx an der Uni. In eineinhalb Stunden kann man sich zwei Folgen "Friends" anschauen oder sogar im echten Leben seine Freunde treffen. 

Eine halbe Stunde Zen

Ich bin altmodisch. Ich würde, ohne nachzudenken, stets behaupten, dass eine gute Yogapraxis eben so lange dauern muss, um wirklich rund zu sein. Aber stimmt das überhaupt? Habe ich nicht in Wahrheit schon selbst oft kürzer geübt, eine Stunde, vierzig Minuten oder sogar nur eine intensive halbe Stunde?

Denn die Wahrheit ist: Bei YogaEasy werden wir oft nach kürzeren Sequenzen gefragt. Die Erfahrung scheint zu zeigen, schon eine halbe Stunde tut so gut und macht einen großen Unterschied. Und was wäre, wenn Yogastunden generell kürzer wären? Ist das dann Fast-Food-Yoga oder die Gesundheitsreform, die wir wirklich brauchen: Kürzere Yogastunden, damit mehr Leute üben können. Es gibt all diese Studien, die belegen, dass schon 12 Minuten jeden Tag unsere Gesundheit signifikant verbessern, dass 20 Minuten unser Gedächtnis verbessern,- selbst, wenn wir gar nicht stärker, klüger, gesünder werden wollen, tut es gut, innezuhalten. Es gibt fantastische Gründe für einen 90 Minuten Klasse, die Vertiefung, die Verdichtung, die Konzentration, die dabei entstehen kann. Und jeder von uns kennt das Gefühl, erst in der letzten Minute die entscheidende Ausatmung zu erleben, die wirklich die Welt kurz zum Stillstand bringt.

Entscheidet selbst

Also, damit kein Missverständnis entsteht: Wir wollen nicht einknicken vor der wachsenden Beschleunigung unserer Zeit und noch mehr Zeitgewinne herausschinden. Wir wollen einfach nur, dass möglichst viele Menschen Yoga in ihr Leben integrieren können, so wie sie es brauchen und wollen. Mal 90 Minuten, mal eine halbe Stunde, mal Pranayama, mal Meditation. Mal ganz ausfallen lassen, und dann wieder eine Yogareise machen. Yoga hat soviel zu bieten, lasst es uns einfach versuchen.

Kristin Rübesamen
Kristin Rübesamen

Kristin Rübesamen ist zertifizierte Jivamukti- und Om-Yoga-Lehrerin. Sie hat über ein Jahrzehnt in New York und London gelebt und ihre Ausbildungen noch bei Sharon Gannon und David Life (Jivamukti) und Cyndi Lee (Om Yoga) persönlich gemacht. Als Yoga-Aktivistin, Chefredakteurin von YogaEasy und Yogalehrerin unterrichtet sie seit fast 20 Jahren einen sehr konzentrierten, gleichwohl herausfordernden Stil. Sie ist Autorin von „Alle sind erleuchtet” und „Das Yoga-ABC” .

Ruth04.07.2020
Hallo Kristin, Danke für den Link. Meine Frage nach der Definition von Gesundheit bezieht sich auf die Studie (n), auf die ihr euch beruft. Dort muss ja festgelegt sein, was die Durchführenden unter Gesundheit verstehen, um messbar zu machen welche Aspekte sich durch 12 Min. Yoga täglich verbessern. Besten Dank für deine Bemühungen und ich freue mich auch hier auf Hinweise zu entsprechenden Studien.
Kristin03.07.2020
Liebe Ruth, diese Studie zum Beispiel untersucht den Zusammenhang zwischen Yoga und Gedächtnis: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6971819/. Gesundheit verstehen wir als Yogis immer integral. Wir wollen mit Yoga ein Gleichgewicht herstellen und wissen aus Erfahrung, dass bereits kleine Yoga-Einheiten dazu beitragen, dass wir uns anatomisch, emotional und mental besser fühlen. Jetzt würde mich interessieren, wie Du Gesundheit definierst? Superspannende Frage. Viele Grüße Kristin
Ruth30.06.2020
Liebes Team, Mich interessiert auf welche konkrete(n) Studie(n) ihr euch bezieht bei der Feststellung, dass 12 Min. Yoga pro Tag die Gesundheit verbessern und wie in diesem Fall "Gesundheit" definiert ist. Auch über einen Hinweis zu Studien zur Gedächtnis-Verbesserung würde ich mich freuen. Lieben Dank im Vorraus!
Beate23.06.2017
Als Perspektivenwechsel und zur Anregung gedanklicher Flexibilität, wäre vieleicht zu erwähnen: Es gibt unter vielen verschiedenen Lebensmodellen auch Menschen die nur ihren Job nachgehen, und das wohlverdiente Geld dann für Alles andere haben.
Beate23.06.2017
unabhängig ob kürzere oder längere Yoga Stunden hier angeboten werden, kann ich ja immer selbst entscheiden, ob ich mal schnell was mache, um mit Pranayama oder Meditation zur Ruhe zu kommen, mein Core oder die "Bikinichallenge" aktiviere um dann wieder ins Hamsterrad zu springen oder ob ich bemerken möchte was für mein Leben wichtig ist und mich mal 90 Minuten dem Yoga widme.
Irena23.06.2017
Ich finde Die Aussage steht im Titel ja ganz klar und wird erst im Beitrag relativiert! Ich finde auf einer Plattform wie dieser haben kürzere Sequenzen durchaus ihren Sinn, denn ich sehe sie nur als Ergänzung zu einer "richtigen" 90 Minütigen Praxis. Im Studio hat eine Verkürzung nichts zu suchen. Und selbst wenn ich mal 1-3 Videos hintereinander " turne" - habe ich nicht den Effekt einer kompletten, gut strukturierten Yogaklasse. Ich bin auch für mehr komplette Klassen.
Claudia23.06.2017
Mir fehlen auf dieser Plattform nicht die kurze Stunden. Ich finde, dass es davon sehr viele gibt. Ich persönlich hätte gerne mehr 90 MInuten Session, inclusive Pranayama (am Anfang oder Ende und Endentspannung - wirklich komplette Stunden. Diese sind hier unterrepräsentiert.
Bettina22.06.2017
Soll jede/r es halten wie es gerade passt - dann entsteht kein Stress, dem wir ja zumeist gerade entgegen wirken wollen. Und keiner muss sich schlecht fühlen, wenn vielleicht "nur" 20 oder 30 Minuten am Tag oder an jedem zweiten Tag...für Yoga drin sind. Für mich ist Yoga wie ein Bauchladen mit einem unerschöpflichen, bunten, nie enden wollenden Angebot, aus dem ich für mich je nach Verfassung auswähle, was passend erscheint. Das gebe ich oft auch im Unterricht weiter: Meine Klassen sind ein Angebot und jeder auf der Matte ist frei zu entscheiden, in wie weit er/ sie mitgehen möchte...manchmal ist weniger einfach mehr bzw. hat eine andere Qualität....und manchmal möchte man eben einfach alles, that's life ;-)
Thomas19.06.2017
Ich finde es klasse, dass die Videos kürzer sind. Denn so haben diejenigen, die nicht die Zeit haben, die Möglichkeit, ein komplettes Video durchzumachen, und für diejeneigen mit mehr Zeit, stehen ja genügend weitere Videos zur Verfügung. Mir bleiben morgens 40 Minuten und abends so eine Stunde für Yoga zur Verfügung. Ehrlich gesagt würde mich ein 90 Minuten-Video abschrecken, da ist es aus zeitlichen Gründen überhaupt nicht schaffen würde. Yogaeasy.de, Ihr macht das schon richtig, finde ich.