Rheuma – wie Yoga mir geholfen hat
Bildquelle: Nancy Romey

Rheuma – wie Yoga mir geholfen hat

Von Olga Miliavska

Ich bin Olga und seit meinem 14. Lebensjahr Rheumatikerin. Lange Zeit bestimmte die Krankheit meinen Alltag – Arzttermine, Medikamente und das Gefühl, anders zu sein als andere Jugendliche. Doch über die Jahre habe ich durch Yoga einen Weg gefunden, besser mit Rheuma zu leben. Yoga wurde zu meiner größten Unterstützung in dieser herausfordernden Zeit. Heute bin ich fast symptomfrei und unterrichte sogar selbst Vinyasa Yoga im Viva Studio Berlin Charlottenburg – auch um meine Erfahrungen weiterzugeben.

Yoga und Rheuma: Wie Yoga mir geholfen hat, Frieden mit meinem Körper zu schließen

Trikonasana

Viele Menschen verbinden Rheuma mit älteren Personen. Doch Rheuma ist ein Überbegriff für über 100 verschiedene Erkrankungen des Bewegungsapparats und kann auch Kinder und Jugendliche treffen. Diese Erkrankungen, die oft mit Entzündungen, Schmerzen und Bewegungseinschränkungen verbunden sind, können Gelenke, Knochen, Muskeln, Sehnen und sogar innere Organe betreffen. Rheumatiker:innen schränkt diese Erkrankung sehr im Alltag ein und die Lebensqualität leidet darunter. 
Es gibt eine Vielzahl von rheumatischen Erkrankungen, die sich in ihrer Ursache, ihrem Verlauf und ihrer Prognose unterscheiden. Zu den bekanntesten gehören:

  • Rheumatoide Arthritis: Eine chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung, die hauptsächlich die Gelenke betrifft und zu deren Zerstörung führen kann.
  • Arthrose: Eine degenerative Gelenkerkrankung, bei der der Gelenkknorpel abgebaut wird, was zu Schmerzen und Bewegungseinschränkungen führt.
  • Morbus Bechterew (ankylosierende Spondylitis): Eine chronisch-entzündliche Erkrankung, die vorwiegend die Wirbelsäule und die Iliosakralgelenke betrifft.
  • Lupus erythematodes: Eine systemische Autoimmunerkrankung, die multiple Organe und Gewebe schädigen kann.
  • Fibromyalgie: Ein chronisches Schmerzsyndrom, das durch diffuse Schmerzen in verschiedenen Körperregionen und Begleitsymptome wie Schlafstörungen und Erschöpfung gekennzeichnet ist.

Ich selbst habe diese Erfahrung sehr früh gemacht: Mit 14 erhielt ich die Diagnose „juveniles Rheuma“. Eine rheumatoide Arthritis, die bei Kindern und Jugendlichen vorkommt. Auch wenn mein Leben dadurch lange von Schmerzen und Einschränkungen geprägt war, habe ich über Yoga einen Weg gefunden, besser mit der Erkrankung umzugehen und gelernt, was mein Körper wirklich braucht. Ich bin zwar noch auf Medikamente angewiesen, meine Yoga-Praxis hat aber eine große Rolle auf meinem Heilungsweg gespielt. 

Meine Jugend mit Rheuma

Die Krankheit kam für mich damals vollkommen unerwartet. Meine Knie fingen an zu schmerzen und stark anzuschwellen. Zuerst hieß es bei verschiedenen Ärzten immer wieder, meine Beschwerden seien Wachstumsschmerzen oder ein Entwicklungsschub. Doch meine Symptome wurden schlimmer, Entzündungen breiteten sich in meinem Körper aus, meine Mobilität wurde immer stärker eingeschränkt und nach vielen weiteren Arztbesuchen war die Diagnose schließlich gestellt – „juvenile Arthritis”.

Von da an war mein Leben anders. Während gleichaltrige Kinder Sportkurse besuchten oder nachmittags draußen spielten, bestand mein Alltag aus Arztterminen und ständigen Medikamenteneinnahmen. Andere konnten unbeschwert ihre Hobbys ausleben, während meine Teenagerzeit geprägt war von Einschränkungen und dem Gefühl, „anders“ zu sein. Dieses Gefühl der Andersartigkeit nagt teilweise noch heute an meinem Selbstwert.

Der Wendepunkt in meinen Zwanzigern: Vom Kraftsport zum Yoga

Joggen

Lange Zeit habe ich mit meiner Erkrankung so gut es ging gelebt. Mit Ende 20 erlebte ich dann jedoch einen schweren Schub. Die Entzündungen kamen zurück und ich konnte meinen gewohnten Alltag nicht mehr meistern. Zu dieser Zeit trainierte ich intensiv im Fitness-Studio, in der Hoffnung, meine Muskulatur zu stärken und meinen Körper dadurch belastbarer zu machen. Doch mit dem Schub wurde klar, dass ich so nicht weitermachen konnte. Das Rheuma wies mir den Weg zu einem sanfteren Umgang mit meinem Körper – und der führte mich zum Yoga. 

Ich war regelrecht gezwungen, nach einer anderen Bewegungsform zu suchen. Zunächst probierte ich online einfache Yoga-Übungen aus. Morgens oder in den Mittagspausen. Besonders bei der für Rheuma typischen Morgensteifigkeit halfen mir die sanften Bewegungen, meinen Körper wieder zu mobilisieren. In meiner ersten Reha begann ich, täglich Yoga zu üben. Ich merkte, wie es mir Tag für Tag leichter fiel, meinen Körper zu spüren und liebevoller mit mir selbst umzugehen. Ich hatte das Gefühl, zum ersten Mal wirklich in Kontakt mit meinem Körper zu sein. In dieser Zeit wurde mir bewusst, dass ich mit dem intensiven Kraftsport teilweise zu hart zu meinem Körper gewesen war und seine Signale ignoriert hatte. 

Was Yoga in meinem Leben verändert hat

Heraufschauender Hund

Körperlich hat mich Yoga während meiner Rheumaschübe wieder in die Beweglichkeit gebracht. Steifheit nach dem Aufstehen oder langem Sitzen konnte ich mit gezielten Übungen lindern. Viel wichtiger war aber die emotionale Wirkung. Ich habe gelernt, auf meinen Körper zu hören und seine Signale ernstzunehmen. Früher habe ich Schmerzen oft verdrängt oder ignoriert. Heute sehe ich sie als Hinweise meines Körpers, die mir helfen, besser auf mich zu achten.

Yoga hat mir außerdem geholfen, mein Selbstwertgefühl wieder aufzubauen. Als Teenager fühlte ich mich häufig minderwertig, weil ich auf Hilfe angewiesen war und nicht das machen konnte, was andere in meinem Alter taten. Durch die Yoga-Praxis und ihre philosophischen Ansätze habe ich verstanden, dass ich wertvoll bin – unabhängig von meiner Erkrankung. Ich konnte mehr inneren Frieden finden, Stress reduzieren und mit meinem Körper Freundschaft schließen. 

Heute bin ich 33 und ich befinde mich immer noch auf dem Weg dieses neue Selbstwertgefühl zu etablieren. Vermutlich wird es noch eine ganze Weile dauern, doch ich habe mit Yoga ein Tool an meiner Seite, das mich auf diesem Weg jederzeit unterstützt. 
Herausforderungen auf dem Weg

Natürlich war nicht alles leicht. Gerade am Anfang fühlte ich mich unsicher. Ich übte allein mit Videos und wusste nicht, ob ich die Bewegungen richtig machte. Manche Tage waren schwer und ich hatte das Gefühl, keine Fortschritte zu sehen. Aus meinem früheren Fitness-Mindset heraus wollte ich schnelle Ergebnisse. Auch zu akzeptieren, dass der Schmerz da ist und nicht geht, war eine große Herausforderung für mich. Yoga lehrte mich Geduld und Selbstmitgefühl. Die Erkenntnis, dass Heilung Zeit braucht, hat meinen Weg sehr geprägt.
Es fiel mir auch unglaublich schwer, in schweren Zeiten Hilfe anzunehmen. Ich wollte immer stark sein und niemandem zur Last fallen. Ich habe versucht, alles allein zu meistern. Zu akzeptieren, dass das nicht möglich war, war vermutlich eine der größten Herausforderungen. Heute weiß ich: Es ist okay, Hilfe anzunehmen und sich dafür zu öffnen. Das ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von wahrer Stärke. 
Heute bin ich dankbar für all diese Herausforderungen, die mich auf meinem Weg begleitet haben, weil sie meine Verbindung zu meinem Körper und anderen vertieft haben. Mittlerweile habe ich kaum noch Symptome. Im Gegenteil:  Ich habe einige Monate nach meiner Reha eine Yoga-Ausbildung gemacht, weil ich alles über diese Praxis erfahren wollte. Das war eine der schönsten und prägendsten Erfahrungen meines Lebens – und hat mich nicht nur beruflich in ein ganz neues Leben geführt. 

Yoga-Übungen, die mir besonders geholfen haben

Katze Kuh

Katze Kuh

Der dynamische Wechsel von Katze zu Kuh mobilierst die Wirbelsäule ganz sanft. 

Ardha Hanumanasana & Anjaneyasana

Der dynamische Wechsel von halbem Spagat (Ardha Hanumanasana) und Low Lunge (Anjaneyasana) mobilisert Knie und Hüften. Beide Asanas findest du unter anderem in diesem Morgenyoga-Video mit Timo Wahl. Die gesamte Sequenz hilft gut gegen Morgensteifigkeit. 

 

Unterstützter Heldensitz

Der Heldensitz dehnt Knie und Oberschenkel. Mit einem Block unter dem Gesäß oder einer Decke zwischen den Knien kannst du dir die Haltung erleichtern und Druck von den Knien nehmen. In diesem Tutorial lernst du, wie du den Heldensitz übst:

Liegende Meditationen

Liegende Sound-Meditationen können eine sehr beruhigende Wirkung auf den Geist haben. Ich empfehle hier die Sound-Meditation für mehr Akzeptanz von Dr. Lisa Schuster


Sound Healing Meditationen mit Lisa Schuster


Und wenn Sorgen und Gedanken vor dem Schlafengehen besonders laut werden, hat mir Yoga Nidra geholfen, besser einzuschlafen. Hier eine Empfehlung für eine Yoga Nidra und Pranayama-Praxis mit Tina Scheid:

Meine Botschaft an andere Rheuma-Betroffene

Rheuma bedeutet Einschränkungen, aber es bedeutet nicht Stillstand. Gerade bei dieser Erkrankung gilt: Wer rastet, der rostet. Bewegung ist entscheidend, allerdings nicht in einer Form, die den Körper überfordert, sondern sanft, achtsam und anpassbar ist. Genau das ist für mich Yoga.

Ich wünsche jedem Menschen mit Rheuma den Mut, es auszuprobieren. Der Anfang kann schmerzhaft sein, aber es lohnt sich. Yoga ist mehr als Bewegung. Es ist ein Weg, sich selbst neu kennenzulernen, den Körper liebevoll zu unterstützen und mehr inneren Frieden zu finden mit dem, was man nicht ändern kann. Ich bin froh, dass ich diesen Weg gegangen bin und hoffe, dass andere eine ähnliche Erfahrung machen.

Namasté, 
Olga


Bildquellen: Christina Georgiadis, PapadoXX, Nancy Romey

Olga Miliavska
Olga Miliavska

Olga Miliavska ist zertifizierte Hatha- und Vinyasa-Yogalehrerin, Fitness-Trainerin und Les Mills Bodypump-Instruktorin. Als Content Marketing Managerin bei YogaEasy kombiniert sie ihre Leidenschaft für Yoga und Kreativität. Ihre eigene Yoga-Praxis ist ein fester Bestandteil ihres Alltags und liebt es, neue Yoga-Stile und Sportarten zu testen. Zuletzt hat sie eine Rocket Yoga inspirierte Ausbildung abgeschlossen und freut sich, in Zukunft weitere Stile kennenzulernen.